Verletzungsschock überschattet deutsches Handball-"Endspiel"
In der European League der Handballer kommt es dieser Tage zu deutschen Wochen, gleich vier Bundesligisten spielen mehrfach gegeneinander um den Verbleib im Wettbewerb. Die MT Melsungen, lange auf Meisterschaftskurs, muss einen Pflichtbesuch in Kiel teuer bezahlen.
Der THW Kiel und die SG Flensburg-Handewitt haben in zwei deutschen "Endspielen" den direkten Sprung ins Viertelfinale der European League geschafft - in den Playoffs kommt es nun gleich zum nächsten deutschen Duell. Kiel gewann zum Abschluss der Hauptrunde gegen den Bundesliga-Spitzenreiter MT Melsungen überraschend deutlich mit 35:24 (20:13) und sicherte damit Rang eins in Gruppe III. Das Gleiche gelang Flensburg in Gruppe IV durch ein hart erkämpftes 32:30 (16:16) gegen den VfL Gummersbach.
In Kiel waren die Vorzeichen klar, der THW ging mit Rückenwind und zuletzt vier Siegen in Serie ins Spiel, Melsungen dagegen strauchelt, verlor nun innerhalb weniger Wochen in Bundesliga und European League gegen die Top-Konkurrenten SC Magdeburg, Flensburg und Kiel. Auch in der Liga ist die Tabellenführung mittlerweile in Gefahr. Bester Kieler Werfer war Elias Ellefsen a Skipagötu mit neun Toren, für Melsungen war Nikolaj Enderleit am erfolgreichsten (5).
"Maximal beschissen"
Zumindest aus Sicht der Melsunger war das herbe Ergebnis allerdings am Ende wohl zweitrangig, denn der ohnehin arg gebeutelte Spitzenklub musste schon früh einen schweren Schock verdauen: Rückraumspieler Aaron Mensing, der erst jüngst eine Einladung zur dänischen Nationalmannschaft erhalten hatte, rutschte in der zwölften Minute ohne Gegnereinwirkung weg und blieb unter sichtbar großen Schmerzen auf dem Hallenboden liegen. Kiels Nationaltorhüter Andreas Wolff, der die Szene von der Bank aus beobachtet hatte, drehte sich entsetzt weg.
Die Arena verstummte sofort, nach mehreren Minuten Behandlungspause wurde Mensing von Mitspieler Rogério Moraes vom Feld getragen. "Ich habe das Gefühl, es ist ein emotionaler Bruch, diese Verletzung von Aaron Mensing. Die ist in den Köpfen und die ist auch für das Spiel maximal beschissen", sagte Dyn-Experte Silvio Heinevetter, von dem Schreck erholte sich die MT Melsungen nicht mehr, Kiel zog in der Folge schnell auf sieben Tore Vorsprung davon.
"Wir hatten heute keine Chance zu gewinnen, Kiel war die bessere Mannschaft. Nach der Verletzung von Aaron waren alle geschockt und wir sind in einer schweren Situation mit sechs, sieben verletzten Spielern", hielt Trainer Roberto Garcia Parrondo seine Analyse kurz. Und Sportchef Michael Allendorf machte klar: "Das Ergebnis heute ist mir scheißegal. Ich hätte lieber eine 20-Tore-Niederlage in Kauf genommen, wenn ich dafür mit gesunden Spielern hätte nach Hause zurückkehren können. Wir rechnen mit einer ernsten Diagnose, die wir allerdings erst nach unserer Rückkehr in Kassel erstellen lassen können." Wenig später bestätigte der Bundesligist die schlimmsten Befürchtungen: Mensing riss sich die Achillessehne und fällt lange aus.
"Schock-Moment für jeden"
Auch den Gegner nahm der bittere Vorfall aus der ersten Hälfte mit: "Unsere besten Wünsche gehen an Aaron Mensing, seine Verletzung war ein Schock-Moment für jeden hier in der Arena", sagte Kiels Trainer Filip Jicha, auch Rückraumspieler Emil Madsen dachte "an meinen Landsmann Aaron Mensing, wir hatten in dieser Saison auch bereits viele Verletzungen und können daher sehr gut nachempfinden, wie er und die Mannschaft sich jetzt fühlen."
Nur die Gruppensieger stehen direkt in der Runde der besten Acht, die Teams auf den Plätzen zwei und drei müssen in den Playoffs um ihre Tickets kämpfen. Melsungen wird dort nun als Gruppenzweiter auf Gummersbach treffen, das noch auf Rang drei abrutschte. Die Playoffs werden am 25. März und 1. April ausgespielt, das Finalturnier findet Ende Mai in Hamburg statt.
Gummersbach war mit einigem Schwung nach Flensburg gekommen, die Oberbergischen hatten wettbewerbsübergreifend ebenfalls vier deutliche Siege in Serie gefeiert. Und der Altmeister machte es dem Gastgeber durchgehend schwer, ging zu Beginn der Schlussphase gar mit zwei Toren in Führung. Anschließend gelang der SG aber ein 5:0-Lauf, der das Spiel entschied. Torwart Kevin Möller parierte mehrfach stark, vorne war Emil Jakobsen mit acht Toren bester Werfer für Flensburg. Aufseiten der Gummersbacher ragte Miro Schluroff mit zehn Treffern heraus.