Werder Bremen steckt nach Pokal-Aus in der "Scheiße" fest
Arminia Bielefeld steht im Halbfinale des DFB-Pokals. Der Drittligist aus Ostwestfalen schreibt eine unglaubliche Heldengeschichte fort. Doch, wo es Gewinner gibt, muss es zwangsläufig auch Verlierer geben. Der heißt Werder Bremen. Dem Traditionsklub entgleitet die Saison.
Alle zehn Jahre ist Pokal-Party in Bielefeld und am Ende holt der VfL Wolfsburg den Pott. So will es das bislang mit wenig Daten unterfütterte Gesetz der Serie. Aber mal angenommen, dass der Pokal zwar seine eigenen Gesetze hat, sich aber doch auch auf seine Traditionen zurückbesinnt, dann war zumindest das, was am Dienstag Werder Bremen auf der Bielefelder Alm passierte, nichts weniger als unvermeidbar. Da aber der Bundesligist kaum durch Daten zu trösten und der Drittligist Arminia auf der Alm in Abbruchstimmung war, erinnerte sich niemand an die Geschichte, die war, sondern blieb bei der, die ohnehin gerade geschrieben wurde.
Die Gegenwart ist manchmal besser als die Vergangenheit. Mehr als verständlich nach diesem sensationellen 2:1 (2:0) in Ostwestfalen, bei dem nur die verwegensten Beobachter später auf die Leistung des Schiedsrichters Robert Hartmanns verwiesen und diese als zumindest nicht unerheblich für die Pleite heranführten. Geschenkt. Darum ging es nicht.
"Heute haben sie einen Freifahrtschein. Es ist mir auch komplett egal, was sie machen. Sie sollen den Abend genießen", ordnete Bielefeld-Trainer Mitch Kniat ein, der nicht nur aufgrund seines Namens der Prototyp eines Pokalhelden ist. Das Leben des 39-Jährigen erzählt eine dieser Geschichten, die der Pokal sonst nur in der ersten Runde schreibt. Dann also, wenn sich Amateure mit den Profis messen, die TV-Sender, Zeitungen und Online-Magazine die Berufe der Amateure auflisten und diese dann für immer in Vergessenheit geraten. Vor rund einer Dekade hätte Kniat einer dieser Spieler sein können. Er verdingte sich ausgerechnet in den Bremer Amateurligen, schleppte Fenster durch Rohbauten und schuftete auf einer Werft.
Seine alten Bekannten, die meisten davon Werder-Fans, hatten dem Bielefeld-Trainer vor dem Spiel die Bude eingerannt. Tickets, Tickets, Tickets. Für das Spiel auf der Alm, der nördlichsten Alm Deutschlands. Das Spiel also, das für den Bundesligisten doch nur Zwischenstation auf dem Weg nach Berlin sein sollte. Falsch gedacht: Bielefeld wurde zur Endstation im Pokal. Was Kniat herzlich egal war. Er hatte seinen Spielern noch was versprochen und plante bereits den Sprung in die Nacht. "Das lasse ich mir nicht nehmen", sagte er und ergänzte mit einem Lächeln: "Aber nur, weil ich mein Wort gegeben habe. Ansonsten würde ich da nicht auftauchen."
"Brutale" Stimmung treibt Bielefeld an
"Man kann es gar nicht glauben", jubelte der erst 20-jährige Pokalheld Marius Wörl. Er hatte sich in der ersten Halbzeit als Ballräuber auf dem Flügel betätigt. Er hatte dem 23-jährigen Außenverteidiger Julian Malatini das Spielgerät stibitzt, war dann nach innen gezogen und hatte von außerhalb des Strafraums Keeper Michael Zetterer keine Chance gelassen (35.).
Rund sechs Minuten später sorgte erneut der Argentinier Malatini für die frühe Vorentscheidung. Er beförderte den Ball ins eigene Tor (41.). In der zweiten Halbzeit konnte der eingewechselte Edel-Joker Oliver Burke (56.) zwar früh auf 1:2 verkürzen. Bremen rannte an. Richtig gefährlich wurden sie aber selten. Einmal verpasste der Joker und Ex-Armine Amos Pieper. Er setzte den Ball in der zweiten Minute der Nachspielzeit an die Latte. "Wir sind gut reingekommen, haben in der zweiten Halbzeit auch brutal leiden müssen und hatten auch das eine oder andere Mal Glück", fasste der 20-jährige Wörl das Spiel zusammen.
Weil die Stimmung so "brutal" war, fiel den Spielern die Maloche dann auch leicht, erklärte Wörl: "Das war Vollgas, wir wollten mutig vorne draufschieben, weil wir wissen, wenn wir nicht alles geben, kann es einem auch passieren, dass man nur hinterherläuft. In der zweiten Hälfte sind die Kräfte ein wenig geschwunden, aber wir haben uns in jeden Schuss geworfen."
Bremens Saison trudelt im besten Fall aus
Feierbefehl einerseits, eine sich ausweitende Krise andererseits. In der Bundesliga läuft es für Werder Bremen nicht mehr, die Träume von Europa sind längst wieder Geschichte und im Pokal nun also das Schock-Aus. "Wir haben nicht das Spiel gespielt, was wir spielen müssen", erklärte Kapitän Niklas Stark im ZDF, der angesichts der vierten Pflichtspielniederlage - darunter das bittere 1:3 gegen Hoffenheim und das schockierende 0:5 in Freiburg - nacheinander anmerkte: "Wir laufen zur Zeit unserer Leistung hinterher. Es liegt an vielen, vielen Kleinigkeiten. Manchmal kann man im Fußball nicht alles erklären. Deswegen ist es manchmal so geil und manchmal so scheiße - bei uns ist es im Moment scheiße."
Und da stecken sie knietief drin. In Bielefeld schaffte es Werder über weite Strecken nicht, Lösungen gegen das starke Laufspiel der Arminen zu finden. "Du musst dich ein Stück weit anpassen. Die machen den Raum zu. Du musst sie mit ihren Mitteln bekämpfen", sagte der eingewechselte Spielmacher Leonardo Bittencourt und resümierte: "Wir haben es nicht auf den Platz bekommen. Wir sind verdient ausgeschieden." Es ist ein Aus, das gleichbedeutend mit dem endgültigen Abschied von der Saison 2024/2025 ist. In der Liga liegen sie zu weit hinter den Europapokalrängen und zu weit vor den Abstiegsrängen. Es wird ein langes Auslaufen bis in den Mai.
Die Blicke der Bielefelder hingegen werden sich am heutigen Mittwoch dann auf das Spiel zwischen dem RB Leipzig und VfL Wolfsburg richten. Mit der Elf vom Mittellandkanal hat der Drittligist Arminia Bielefeld noch eine Rechnung offen. Die damals von Dieter Hecking trainierte Jahrhundertauswahl der Wolfsburger um Kevin de Bruyne, Ivan Perišić und Luiz Gustavo machte im Halbfinale kurzen Prozess mit der Arminia (4:0), die auch vor zehn Jahren in den unteren Klassen Luft holte. Einige Wochen später krönte sich der VfL Wolfsburg im Finale gegen den BVB sogar zum Pokalsieger. In Bielefeld aber war das egal. Der komplett irre Pokallauf damals muss sich nun in den zukünftigen Geschichtsbüchern mit der Saison 2024/205 messen lassen. Ob es zu einem ganz eigenen Pokalgesetz wird? Das ist noch nicht bekannt.