Völlig überraschend: Jena-Arena schlägt legendäres Santiago Bernabéu

Jena übt späte Rache an Madrid: Völlig überraschend gewinnt die Ad Hoc Arena die Wahl zum Stadion des Jahres. Fast 10.000 gültige Stimmen werden abgegeben, das Resultat ist denkbar knapp.

Im Fußball gibt es viele Weisheiten, eine der wichtigsten ist allen bekannt. Geld schießt keine Tore. Doch das Wörterbuch der Fußballwelt muss neu geschrieben werden, denn hinzukommt nun: Geld gewinnt auch keine Wettbewerbe. Denn auf dem polnischen Portal für Stadionliebhaber "stadiumdb.com" ("db" steht für "Database", also Datenbasis) gewinnt die frisch gebaute Ad Hoc Arena im Ernst-Abbe-Sportfeld in Jena die alljährliche Wahl zum Stadion des Jahres für 2024. Das Votum sei "die weltweit größte öffentliche Abstimmung über Stadien, die jedes Jahr eröffnet wird", heißt es.

Völlig überraschend, auch für die "stadiumdb.com"-Betreiber selbst, bezwingt der 60 Millionen Euro teure Neubau den frisch eröffneten Fußballtempel der Königlichen: das Estadio Santiago Bernabéu. Jenes Bauwerk, das Real Madrid erst kürzlich für weit mehr als eine Milliarde Euro umbauen ließ. Die Seitenbetreiber schreiben bei diesem Ergebnis gar von einer "Sensation". Eigentlich sei es 2024 nur darum gegangen, wie weit der Vorsprung des Bernabéus sein würde. Dass es am Ende gar einen anderen Gewinner gibt, erschüttert die Szene beinahe in ihren Grundfesten.

Denkbar knapp war deshalb auch das Ergebnis: Das eher zweckmäßig gehaltene Stadion aus Jena holte 248 Punkte mehr als der spanische Tempel (15.081). Insgesamt sammelte die Ad Hoc Arena 15.329 Punkte, bei laut "stadiumdb.com" insgesamt 9750 gültigen Stimmen. Auf dem dritten Platz landete leicht abgeschlagen das Stade Hocine Aït Ahmed aus Algerien (13.604).

"Exzellente" Bedingungen

Wer bei dem Wettbewerb abstimmte, konnte seine eigene Top-Fünf küren: Der erste Platz bekam fünf Punkte, der zweite dann vier Zähler und so weiter. Eine weitere Wettbewerbsbedingung erklärt den Sensationserfolg aus Jena: Teilnehmen durften nur Arenen, die auch im Jahr 2024 eröffnet oder wiedereröffnet wurden und Platz für mindestens 15.000 Menschen bieten, das schränkt das Teilnehmerfeld dann doch arg ein.

Nun bleibt die Frage, was hat die Ad Hoc Arena, was das sagenumwobene Estadio Santiago Bernabéu nicht hat? "Stadiudb.com" schreibt, der ostdeutsche Fußballtempel habe die Herzen von Fans auf der ganzen Welt gewonnen. In dieser Saison liegt der Zuschauerschnitt bei dem Viertligisten bei 6923, nur einmal war das Stadion ausverkauft.

Insgesamt dürfen 15.000 Fans rein, alles überdacht und alles biete "exzellente" Bedingungen für Fans und Athleten. Dazu sei die Ad Hoc Arena ein Ort, so heißt es, an dem Moderne auf Tradition treffe. Der Standort befindet sich dort, wo auch das alte Stadion in Jena stand: direkt an der Saale, auf dem Ernst-Abbe-Sportfeld. Und, es geht ja nicht immer nur um Fußball: 1996 stellte der Tscheche Jan Železný hier den Weltrekord im Speerwurf auf, die Bestmarke von 98,48 Metern hat noch immer Bestand.

Mit dem Gewinn, das zeigt der Blick auf die Webseite der Arena, haben die Planer genau das erreicht, was sie erreichen wollten. Ihr Anspruch war etwa nicht "nur" ein neues Stadion zu bauen, sondern "Fans von Sport, Kultur und Wirtschaft" ein "neues Zuhause" zu geben - "ein Ort der Geschichte, der Gegenwart und der Zukunft", heißt es dort im Marketingsprech.

Zugegebenermaßen fehlt es in Madrid an keinem dieser Merkmale, dort passen nicht nur 78.297 Menschen rein. Dort wurden sogar Fußball-Weltmeister, Europameister, Champions-League-Sieger und Gewinner von Europapokalen gekrönt. Zudem hängt unter dem verschließbaren Dach ein 3700 Quadratmeter großer ringförmiger LED-Bildschirm, das gibt es auf der Welt sonst nur zweimal: in den USA.

Wenn man so will, übt Jena nun ganz späte Rache an der Stadt Madrid. Am 28. März 1962 war es das Hinspiel im Halbfinale des Europapokals, als ausgerechnet Atlético Madrid (nicht Real) Motor Jena mit 1:0 besiegte. Das Spiel ist vor allem deshalb denkwürdig, weil es den Publikumsrekord auf dem alten Ernst-Abbe-Sportfeld markierte. Die Partie verfolgten, so heißt es auf der Webseite der Arena, insgesamt 27.000 Menschen, obwohl das Stadion damals offizell nur 20.000 Menschen fasste.

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