Die Linke und ihr Ärger über den eigenen Beschluss

Die Kritik, die die Linke in den vergangenen Wochen auf Bundesebene an dem Schuldenpaket von Union und SPD geäußert hat, hätte kaum schärfer ausfallen können. »Ein Blankoscheck für unbegrenzte Aufrüstung«, so prangerte das etwa Sören Pellmann an, bisheriger Gruppenvorsitzender der Linken im alten Bundestag und im neuen Bundestag Fraktionsvorsitzender.

Dass die Milliardenkredite mit den alten Mehrheiten im Parlament durchgesetzt werden sollten, sei ein »moralischer Tiefpunkt«. Den Grünen warf Pellmann vor, sich den künftigen Koalitionspartnern »für ein paar Silberlinge erfüllter Wünsche« angebiedert zu haben.

Die Linken im Bundestag versuchten sogar mit mehreren Eilanträgen beim Bundesverfassungsgericht die für das Schuldenpaket anberaumten Sondersitzungen des alten Bundestags zu verhindern. Im neuen Bundestag haben Union, SPD und Grüne keine Zweidrittelmehrheit mehr, wären auf die Linken angewiesen.

Aber seit vergangenem Freitag hat die Linke nun ein Problem. Denn die eigenen Genossinnen und Genossen haben für genau dieses Schuldenpaket votiert – und also auch für massive Rüstungsausgaben. Im Bundesrat haben Mecklenburg-Vorpommern und Bremen, wo die Linke mitregiert, den Grundgesetzänderungen zugestimmt. Aus landespolitischer Verantwortung, wie es heißt.

Was dahintersteckt: Die Länder sollen 100 Milliarden Euro aus dem 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Infrastruktur erhalten. Zudem sollen in den Ländern bestehende Schuldenbremsen gelockert werden.

Linken-Bundesgeschäftsführer: »Falsch und demokratiefeindlich«

Zwar haben sowohl Bremen als auch Mecklenburg-Vorpommern im Bundesrat zu Protokoll gegeben, dass in den jeweiligen Regierungen »die limitierte Bereichsausnahme für Verteidigungsausgaben im Rahmen der Schuldenregel« von den Koalitionspartnern »uneinheitlich bewertet« werde, die Linke sie ablehne.

Aber es bleibt: Die Linken haben in der Länderkammer dem zugestimmt, was die Linke im Bund verdammt hat. Ein Widerspruch, der die Partei jetzt umtreibt und für Kritik sorgt.

»Falsch und demokratiefeindlich«, nannte Linken-Bundesgeschäftsführer Janis Ehling am Freitag den Beschluss des Bundesrats auf X. »Wir lehnen diese blinde Rüstungsspirale und diese Absage an eine soziale Demokratie ab«, schrieb er.

Noch kurz vor dem Votum in der vergangenen Woche war bei der Linken im Bund die Hoffnung groß, dass sich Bremen und Mecklenburg-Vorpommern enthalten würden, wie es Usus ist, wenn man in der Landesregierung unterschiedlicher Auffassung ist.

Zumal Union und SPD im Bundesrat auch ohne die Zustimmung der beiden Bundesländer auf die benötigte Zweidrittelmehrheit gekommen wären.

Man hatte gehofft, dass die Länder die Partei im Bund nicht in Erklärungsnöte stürzen würden und entsprechende Erwartungen an die Parteifreunde in den Bundesländern formuliert.

Der Druck aus dem Bund hat nichts genützt

In einem Beschluss des Linkenvorstands vom Donnerstagabend hieß es, man verstehe das »Dilemma«, in dem sich die Verantwortlichen in den Ländern befänden. »Der Finanzdruck insbesondere in Ländern wie Bremen und Mecklenburg-Vorpommern ist enorm. Wir setzen darauf, dass die Abwägung zwischen den ganz realen Anforderungen vor Ort und den verschiedenen Rollen, in denen unsere Partei agiert, zu einer Ablehnung des Finanzpakets in den links mitregierten Ländern führt.«

Aber der Druck hat nichts genutzt.

Der Konflikt ist da, die innerparteiliche Ruhe, die die Partei die vergangenen Monate trug, bis zu ihrem überraschenden Erfolg bei der Bundestagswahl, ist erst mal gestört.

Bei Linken-Bundestagsabgeordneten herrscht Unverständnis bezüglich des Votums der Länder. Offen äußern will sich kaum einer an diesem Montag, jedenfalls nicht vor der Fraktionssitzung, die bis in den Abend gehen soll. Dort solle das Ganze noch einmal diskutiert, die Argumente aus den Ländern gehört werden.

Wie nun umgehen mit dem widersprüchlichen Abstimmungsverhalten?

In der Fraktion verweist man zunächst auf die Partei. Und Linken-Co-Parteichef Jan van Aken, der auch als Abgeordneter im neuen Bundestag sitzt, sagt dem SPIEGEL: »Die Schuldenbremse wurde ausgehebelt – aber nur fürs Militär. Für alles andere bleibt das Spardiktat bestehen. Mehr Geld für Waffen, weniger für Bildung, Gesundheit und Soziales. Aus unserer Sicht ist die Entscheidung falsch, sowohl vom Inhalt her als auch vom Verfahren.«

Van Aken versucht, die Einigkeit in der Sache mit den Bundesländern hervorzuheben, kritisiert aber das Votum. Es sei gut, dass die Linken in Mecklenburg-Vorpommern und Bremen ihre ablehnende Haltung zu Protokoll gegeben haben. Aber: »Aus bundespolitischer Sicht hätte daraus eine Ablehnung im Bundesrat resultieren sollen.«

Linken-Bundesgeschäftsführer Ehling sagt: »Es wäre wichtig gewesen, den symbolischen Punkt zu setzen, dass die Linke auch in den Ländern gegen das Schuldenpaket stimmt.« Das Paket sei »demokratiefeindlich«, weil es Ausnahmen von der Schuldenbremse nur für bestimmte Bereiche vorsieht, nicht aber für etwa Bildung, Schulen und Soziales. Damit ist eine Reform der Schuldenbremse, wie wir sie als Linke fordern, für die nächsten Jahre vom Tisch, und das kritisiere ich scharf«, so Ehling zum SPIEGEL.

Und nun? »Die Schlussfolgerung aus dem jüngsten Votum im Bundesrat der Länder mit Linken in Regierungsverantwortung muss unter anderem ein klügeres Verfahren sein«, mahnt Dietmar Bartsch, Linken-Bundestagsabgeordneter und früher Fraktionsvorsitzender, gegenüber dem SPIEGEL. Entscheidungen müssten intern besser vorbereitet werden. »Partei, Fraktion und Ministerinnen in den Ländern müssen sich mit ausreichend Vorlauf verständigen, um mit einer eindeutigen Haltung gegenüber dem Koalitionspartner auftreten zu können und um widersprüchliche Abstimmungen möglichst zu vermeiden«, so Bartsch.

Immerhin, so wird es überall betont bei der Linken, ist man sich ja in der Sache einig. Das sei ganz anders als oftmals in der Vergangenheit.

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