Anwältinnen von Ex-Wirecard-Chef Braun sprechen von Vorverurteilung
Im Strafprozess um die Pleite des Zahlungsabwicklers Wirecard hat der angeklagte Ex-Vorstandschef Markus Braun einen Befangenheitsantrag gegen die Richter gestellt. Zur Begründung verwiesen Brauns Verteidigerinnen Theres Kraußlach und Katrin Kalweit am Donnerstag auf die Teileinstellung des Verfahrens durch das Landgericht München. Die Strafkammer war am selben Tag dem Antrag der Staatsanwaltschaft gefolgt, einige Vorwürfe gegen Braun und seine beiden Mitangeklagten fallen zu lassen. Kraußlach wertete dies als unrechtmäßige Vorverurteilung Brauns in Bezug auf die verbleibenden Anklagepunkte.
»Der Beschluss veranlasst Herrn Dr. Braun zu ernsthaftem Zweifel in die Unparteilichkeit der Kammer«, heißt es in dem Befangenheitsantrag. Braun sei der Überzeugung, dass die Strafkammer unter dem Vorsitzenden Richter Markus Födisch sich bereits auf eine Verurteilung festgelegt habe, obwohl das Gericht noch bis zum Jahresende Termine für die weitere Beweisaufnahme anberaumt habe und eine Vielzahl von Beweiserhebungen ausstehe.
Vor gut zwei Wochen hatte die Staatsanwaltschaft eine Prozessverkürzung beantragt und war damit einem Vorschlag des Gerichts gefolgt. Beide waren sich einig, dass bereits der Braun zur Last gelegte Betrugsvorwurf durch Kreditaufnahme bei der Commerzbank und weiteren Banken sowie weitere Vorwürfe für eine Verurteilung zur gesetzlichen Höchststrafe von bis zu 15 Jahren Gefängnis ausreichen könnten. Deswegen müsse der Rest der Vorwürfe nicht mehr aufgeklärt werden.
Am Donnerstag hakte das Gericht dieses Vorgehen nun auch formell ab. »Bei den verbleibenden Untreue- und Betrugstaten ist weiterhin von einem voraussichtlich äußerst hohen Gesamtschaden auszugehen«, heißt es in dem Reuters vorliegenden Gerichtsbeschluss. Kraußlach monierte auch, dass die Kammer trotz ausstehenden Urteils einen Teil des Wirecard-Geschäfts als »vorgetäuscht« bezeichnete. »Bereits die Wortwahl zeigt, dass die Kammer trotz umfangreicher Beweisaufnahme und der Darstellung von Zahlungsflüssen von mehr als zwei Milliarden Euro ihre Meinung hinsichtlich der Schuld des Angeklagten bereits gebildet hat«, erklärte sie. Dies missachte das Recht auf ein faires Verfahren.
Unterdessen soll am Freitag in München der Prozess um milliardenschwere Schadenersatzforderungen Zehntausender Wirecard-Aktionäre fortgesetzt werden. Das Bayerische Oberste Landesgericht will in dem Verfahren nach dem sogenannten Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) eine Zwischenentscheidung verkünden.