Wehe, das DFB-Team spielt so bei der EM
Für die DFB-Frauen steht im Juli die Europameisterschaft an. Doch das Team von Bundestrainer Christian Wück schwankt in der Form bedenklich. Nach der Partie gegen Österreich steht zwar ein klarer Sieg zu Buche, Wück aber sieht erschreckend viel Arbeit auf sich zukommen.
"Wir waren überhaupt nicht aggressiv, wir haben wenig Leidenschaft auf dem Platz gezeigt, wenig Intensität." Christian Wück war bedient. Sein Team sei "sehr, sehr blauäugig in den Zweikämpfen" gewesen, stellte der Bundestrainer des DFB-Teams der Frauen nach dem Nations-League-Spiel gegen Österreich fest. Dabei hatte seine Auswahl in Nürnberg gerade mit 4:1 gewonnen. Es war Wücks erster Heimsieg als Cheftrainer, nachdem es zuvor nur auswärts geklappt hatte. Und doch konnten er und seine Spielerinnen nicht zufrieden sein.
Denn das Ergebnis spiegelt wenig von dem wider, was da im Max-Morlock-Stadion passiert ist. Wer die erste Hälfte verpasst hat, könnte denken, es war ein sehr ordentliches Spiel der Deutschen, die die Österreicherinnen dominierten. 16 zu 3 Torschüsse, 59 Prozent Ballbesitz, 3 Tore von DFB-Spielerinnen. Sie erarbeiten sich Platz auf dem Feld, freie Räume für Läufe, für Flanken, sind dominant und selbstbewusst.
Es ist die Halbzeit, die Mut macht für die Europameisterschaft, die im Juli in der Schweiz stattfindet. Es ist die Halbzeit, die zeigt, dass das DFB-Team ein Wörtchen im Kampf um den Titel mitreden kann. Das muss der Anspruch sein als amtierende Vize-Europameisterinnen, als achtmalige Titelträgerinnen.
EM lauert am Horizont
Doch bekanntlich beginnt ein Fußballspiel nicht erst in der 46. Minute. Und die erste Hälfte war es, die Wück sauer macht: "Da muss man sich keine großen Gedanken machen, wie weit es bei der EM geht." Das Spiel war gerade angepfiffen, da ging Österreich auch schon in Führung. Eigener Einwurf, Ballverlust, schnell zog Lilli Purtscheller davon, passte quer zu Annabel Schasching vom SC Freiburg, die netzte an Torhüterin Stina Johannes vorbei ein. 0:1 nach nicht einmal drei Minuten.
Die Torhüterin kam zu ihrem dritten Länderspiel, da sich erst Sophia Winkler schwer am Knie verletzte - es handelt sich wohl um einen Kreuzbandriss - und dann auch noch Ann-Katrin Berger mit einem Infekt ausfiel. Im Fünfkampf um das EM-Tor bekam sie zunächst keine große Hilfe ihrer Mitspielerinnen. Keine von ihnen kam hinterher, als Österreich einen Traumstart hinlegte. "Das Tor ärgert mich jetzt noch maßlos", sagte Wück bei der Pressekonferenz nach dem Spiel.
Noch nie hat Deutschland ein Spiel gegen die Auswahl des Nachbarlandes verloren oder auch nur Remis gespielt. Zuletzt hatten sie in der EM-Qualifikation in Linz mit 0:2 zurückgelegen, das Spiel aber noch zum 3:2-Sieg gedreht. Doch was die DFB-Elf in den folgenden 35 Minuten anbot, trug wenig zum Glauben bei, dass die Serie im sechsten Aufeinandertreffen Bestand haben würde. "Ich war überhaupt nicht zufrieden mit der ersten Hälfte", sagte Wück. "Das war nicht das, was wir uns vorgenommen hatten und auch nicht das, was in der Mannschaft drinsteckt." Seine frisch ernannte Kapitänin Giulia Gwinn formulierte es noch krasser: "Wir haben halt komplett versagt. Deswegen müssen wir das als Team aufarbeiten. Und dann als gesamtes Team einfach präsenter sein."
Gwinn: "Wir brauchen Nackenklatscher"
Kaum etwas ging nach vorn, die Spielerinnen wirkten nervös, verloren gegen die hoch pressenden Österreicherinnen irre schnell Ball um Ball. "Österreich hat uns von vornherein gepresst, die waren völlig da bei den Zweikämpfen, haben uns völlig unter Druck gesetzt", sagte Verteidigerin Janina Minge. "Wir wussten, dass sie alles versuchen würden, um uns das Spiel schwer zu machen", so die neue stellvertretende Kapitänin - und doch wusste ihr Team dem nichts entgegenzusetzen. Auch Minge selbst patzte und brachte ihre Torhüterin in arge Bedrängnis. Johannes spielte einen Pass zu ihr, sie passte zurück, übersah aber die einlaufende Purtscheller von der SGS Essen. Johannes von Eintracht Frankfurt musste in den Zweikampf um den Ball, schoss dabei Purtscheller an, der Ball flog glücklicherweise neben das Tor. Nur Eckball, nicht das 0:2.
Gwinn bilanzierte: "Wir brauchen gerade immer diesen Nackenklatscher, dass wir in Rückstand geraten. Wir starten nicht gut ins Spiel, verlieren eine Menge an Zweikämpfen, sind immer einen Schritt zu spät. Wir sind mit dem Kopf nicht richtig da." Schon gegen die Niederlande am vergangenen Freitag hatte ihr Team früh zurückgelegen, sich aber noch das 2:2 erkämpft. Was Gwinn daher aber auch feststellte: "Was man positiv sagen kann, ist, dass wir immer zurückkommen. Das sollten wir uns bewahren."
Denn noch vor der Halbzeitpause erzielte Laura Freigang nach einem Standard (39.) das bis dato schmeichelhafte 1:1. Einen weiten Ball von Klara Bühl legte die neue Innenverteidigerin Rebecca Knaak zu Freigang ab, diese musste nur noch einnetzen. Auch, weil Lea Schüller Österreichs Torhüterin Manuela Zinsberger so behinderte, dass diese nicht mehr zum Ball kam - was aber nicht geahndet wurde.
Die Torschützin hatte zur Pause ausgedient, für sie kam Linda Dallmann ins Spiel, Sjoeke Nüsken musste für Sara Däbritz weichen. Zwei erfahrene Spielerinnen - Dallmann debütierte 2016, Däbritz sogar schon 2013 -, die Ruhe in die Ballbesitzphasen brachten, ohne das Spiel langsam zu machen, wie Wück lobte. Dallmann war es dann auch, die das DFB-Team in Führung brachte (55.). Eine Verlagerung auf rechts wurde von Jule Brand angeleitet, ehe sie nach innen zog und in den Lauf der Torschützin passte, die den Ball durch die Beine von Zinsberger schoss. 2:1 - Führung und zunehmend weniger Gegenwehr der Österreicherinnen. Die DFB-Frauen übernahmen die Kontrolle über das Spiel, hatten mehr Offensivaktionen, weil die Defensive den Zugriff auf die Österreicherinnen bekam.
Nach Spielveränderung nimmt Kantersieg seinen Lauf
"Die Österreicherinnen hatten immer eine Spielerin, die frei war, die konnten auf uns zudribbeln. Das haben wir umgestellt, sind ein Stückchen anders angelaufen im Pressing. Das hat viel besser funktioniert, und unsere Auswechselspielerinnen haben ein wirklich überragendes Spiel gemacht", sagte Minge über die Veränderungen zur Halbzeit. In der Tat bewies Wück dabei ein Händchen. Denn in der 62. Minute tauschte er Schüller für Giovanna Hoffmann, die nach nur acht Minuten ihr erstes Länderspiel-Tor erzielte. Dallmann konnte einen Pass von Laura Feiersinger abfangen, legte an der Strafraumkante quer auf Hoffmann, die ihre Premiere feiern konnte. 3:1 (70.). Und auch das 4:1 (82.) erzielte ein Joker - Vivian Endemann stand gerade einmal drei Minuten auf dem Feld.
"Der Sieg war am Ende dann verdient", bilanzierte Wück schließlich. Nach dem Unentschieden gegen die Niederlande (2:2) und dem nun deutlichen Sieg führt das DFB-Team die Nations-League-Gruppe an. Im April stehen die beiden Duelle mit dem dritten Gruppengegner Schottland an - das sollte eine klare Sache sein, hilft im Einspielen für die ganz großen Duelle bei der EM aber nur bedingt. Denn auch wenn Verteidigerin Felicitas Rauch sagt, sie müssten in der Nations League unter Druck performen, sind die Titelverteidigerinnen aus England oder die spanischen Weltmeisterinnen schon ein anderes Kaliber.
Und so lautete das Fazit des doch sehr ernüchtert erscheinenden Wück: "Ich habe gemerkt, dass noch sehr viel Arbeit auf uns wartet."