Skisprung-Idol wischt Betrugsvorwürfe gegen deutsche Springer vom Tisch
Bei der WM plötzlich top: Das gute Abschneiden der deutschen Skispringer bei der ersten Entscheidung schmeckt der Konkurrenz gar nicht. Polens ehemaliger Weltklassespringer Adam Malysz wittert gar Betrug. Doch sein langjähriger Konkurrent Martin Schmitt wischt die Kritik beiseite.
Monatelang gibt es nur maue Nachrichten von den deutschen Skispringern. Seit Pius Paschke der Favorit bei der Vierschanzentournee war, nachdem er zuvor die Führung im Gesamtweltcup übernommen und zahlreiche Podestplätze geholt hatte, gab es den großen Einbruch. Flaute für die DSV-Adler. Doch bei der Weltmeisterschaft fliegen sie plötzlich wieder vorne mit. Das sorgt für Gerede und Vorwürfe der Konkurrenz.
Andreas Wellinger gewann beim Springen von der Normalschanze im norwegischen Trondheim Silber, Karl Geiger verpasste als Vierter eine Medaille nur ganz knapp. Es war das beste deutsche Ergebnis seit Dezember. Eines, das nicht unkommentiert bleibt. Der frühere Weltklasse-Springer Adam Malysz, inzwischen Präsident des polnischen Skiverbands, wittert gar einen Betrug. "Irgendetwas stimmt hier nicht. Ich meine, das ist doch offensichtlich. Es ist sehr seltsam", sagte er der Zeitung "Przeglad Sportowy". "Entweder haben wir immer noch Schlupflöcher im Reglement und einige Leute wissen, wie man die Regeln umgeht, oder ich weiß einfach nicht, was hier los ist."
Die Aufregung dreht sich vor allem um Geiger, der in dieser Saison noch gar nicht in Schwung gekommen war. Denn laut sport.pl sei sein Anzug "monströs", der Wettkampf ein "Witz" gewesen. Die Diskussion um die Skisprung-Anzüge wird also neu entfacht. Ein neues Kontrollsystem hatte diese eigentlich beruhigen sollen. Denn die Regeln sind klar: Der Stoff darf sich nicht um mehr als vier Zentimeter vom Körper abheben, festgelegte Messpunkte werden bei jedem Wettkampf kontrolliert.
Schmitt sieht "wenig Unterschiede"
Ex-Weltklassespringer Martin Schmitt ordnet bei sport.de/ntv ein: "Es ist immer so: Wenn jemand gut springt, laufen die ganze Saison hinter den Kulissen die Diskussionen darüber. Die, die auf dem Podest sind, beklagen sich in der Regel nicht, aber andere finden Punkte, die sie kritisieren." Jahrelang waren Malysz und Schmitt um die Jahrtausendwende herum Konkurrenten gewesen.
Bei Geiger war beim WM-Springen tatsächlich deutlich zu erkennen, dass sein Anzug vor dem Anlauf eine Beule im Schritt bildete und auch nach der Landung war diese zu sehen. "Es ist schon so, dass man je nach Schnitt hier und da mal eine Falte erkennen kann, je nachdem, wie die Aufnahme ist. Ich hatte den Eindruck, dass sich die Anzüge der Topteams ziemlich ähneln und da wenig Unterschiede sind", sagt Schmitt, der als Experte bei Eurosport arbeitet: "Man findet genauso Einstellungen und Bilder, in denen der polnische Anzug sehr groß aussieht - aber der ist zurzeit eben nicht im Fokus."
Auch aus Norwegen hatte es in dieser Saison bereits Kritik gegeben, die WM-Gastgeber hatten bei den dominanten Österreichern Materialbetrug gewittert: "Von dort hört man jetzt weniger - verständlich bei den Ergebnissen", so Schmitt. Schließlich war Marius Lindvik Weltmeister geworden - er hatte es in dieser Saison bislang auch nur sporadisch auf vordere Plätze geschafft.
Geiger hat Inspektion bestanden
Schmitt betont zudem: Geigers Anzug war natürlich kontrolliert und geprüft. In der Weltcup-Saison waren schon "mehrere Springer, auch Spitzenspringer" disqualifiziert worden: "Stefan Kraft hat es erwischt, Timi Zajc, Domen Prevc, alles namhafte Athleten. Es wird also kontrolliert." Auch Chef-Kontrolleur Christian Kathol wollte die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen: "Alle Springer wurden vor der Saison mit 3D-Scannern durchleuchtet und diese Bilder lügen nicht. Alle wurden mit einer einheitlichen Unterhose vermessen. Ich bin damals mit 100 Stück im Handgepäck gereist", sagte er der "Bild". "Durch die neuen Regeln, dass jeder Sprunganzug im Vorfeld angemeldet werden muss, ist Schummeln viel, viel schwieriger geworden."
Geiger selbst stellte unmissverständlich klar: "Ich hatte eine Inspektion und ich habe sie bestanden." Und warum ist er auf einmal in WM-Form? Ein Fakt ist, dass dem 32-Jährige die im Weltcup vernachlässigte Normalschanze liegt. Schon bei der WM 2023 holte er Bronze, als Wellinger genau wie nun wieder Silber gewann. Vor der WM trainierte er zudem in seiner Heimat Oberstdorf gezielt auf der Normalschanze.
Fünfmal WM-Gold in Folge
"Man darf uns Deutsche eben nie abschreiben", hatte Geiger nach dem Wettkampf gesagt. "Wir haben uns wieder aus dem Loch rausmanövriert und sind auf einem aufsteigenden Ast. Dieser Weg sollte jetzt weitergehen", erklärte Wellinger. Und die beiden bekommen Schützenhilfe von prominenter Stelle. Schmitt sagt bei sport.de/ntv, es sei vor allem bei Wellinger schon vor der WM erkennbar gewesen, "dass er technisch deutlich besser gesprungen ist. Mit der letzten Trainingsphase hat er noch mehr Sicherheit bekommen und eine deutlich höhere Qualität in seine Sprünge reinbekommen", sagt der viermalige Weltmeister über Wellinger.
Schon am heutigen Mittwoch kann Wellinger das wieder unter Beweis stellen. Gemeinsam mit Philipp Raimund, Katharina Schmid und Vize-Weltmeisterin Selina Freitag geht er im Mixed-Teamspringen an den Start (16 Uhr/ARD und Eurosport). Deutschland hat zuletzt fünfmal in Folge Gold im Mixed gewonnen. "Die Umstellung auf die Großschanze ist leider nicht so gut gelungen. Am Schluss gab es kleine Lichtblicke von Wellinger und Raimund", warnte Horngacher aber vor allzu großen Erwartungen.