Der vergessene 51-Millionen-Euro-Mann des FC Bayern
Thomas Tuchel war besessen von dem Wunsch, Joao Palhinha zu verpflichten. Doch sein Wunsch wurde erst erhört, als er nicht mehr da war. Sein Nachfolger Vincent Kompany kann mit dem 51-Millionen-Mann allerdings kaum etwas anfangen.
Hätte die Münchner Zeitung "tz" in diesen Tagen nicht eine "brisante" Enthüllung zu Joao Palhinha veröffentlicht (mehr dazu gleich), man hätte vermutlich ganz vergessen, dass es den Portugiesen noch gibt. Dabei sollte Joao Palhinha doch eine ganz große Rolle beim FC Bayern spielen. Trainer Thomas Tuchel hatte sich diesen Fußballer im Sommer 2023 unbedingt gewünscht. Weil er im Kader der Münchner zwar alles wähnte, schockverliebt war er einst sogar, außer einem echten Sechser. Was Joshua Kimmich damals nicht verstand und das auch klarmachte.
Tuchel aber ließ sich von den Einlassungen nicht umstimmen, er forderte mit viel Palim Palhinha! Weil der eine "Holding six!" sei. Das war neu. Also der Begriff. Eine invasive Spezies, wie sich herausstellen sollte. Tuchel hatte den Begriff eingeschleppt. Der sah das nämlich so: Für seine Mannschaft brauche er einen Spieler, der die Position im defensiven Mittelfeld festtackert. Ein Kimmich war ihm da viel zu umtriebig. Der FC Bayern versuchte alles, um Palhinha zu verpflichten. Sie holten ihn am "Deadline Day" noch nach München und ließen ihn im Krankenhaus Barmherzige Brüder auf Herz und Nieren prüfen. Es entwickelte sich ein großer Transferkrimi. Am 1. September 2023 verließ der Portugiese um 15.03 Uhr das Krankenhaus, tickerte damals die "Bild". Alles hing nun am FC Fulham.
Transfer wegen eines Versprechens?
Die wussten zwar schon länger um den eisernen Griff Tuchels nach ihrem Spieler, aber um Ersatz bemühten sie sich offenbar nur halbherzig. Weil sie keinen fanden, durfte Palhinha nicht wechseln. Münchens Ehrenpräsident Uli Hoeneß wütete weniger Wochen später, dass sein Verein NIEMALS mehr am Deadline Day solche Dinger planen sollte. Nun ist Palhinha aber doch noch gekommen. Im vergangenen Sommer, da war allerdings längst klar, dass Tuchel nicht mehr Anleiter des Starensembles sein werde. Die Bayern bezahlten rund 51 Millionen Euro, nur viermal hatten sie zuvor mehr Geld für einen Spieler ausgegeben. Warum also doch noch Palhinha? Die "tz" berichtet, dass dem Portugiesen nach dem ersten gescheiterten Versuch ein Transfer versprochen worden war.
Sportvorstand Max Eberl war mächtig stolz, als er den Transfer eingetütet hatte und den Spieler vorstellen konnte. Nur das Wort "Holding six", das wollte er unbedingt gestrichen wissen. Die Zeit mit Tuchel hatte den FC Bayern zermürbt. Der Begriff sollte mit dem Trainer zurück nach England wandern. So wenig wie möglich sollte von seinem Erbe bleiben. Nur das teuerste blieb: Palhinha. "Wenn man über so lange Zeit an einem Spieler baggert, muss man von einem Wunschtransfer sprechen. Er ist ein sehr wichtiges Puzzlestück", betonte Eberl im Sommer des vergangenen Jahres und sagte dann Sätze, die klangen, als hätte sie Tuchel gesagt. Palhinha sei nämlich "einer, der da steht, die Kontrolle des Spiels hat und die Viererkette mit seiner Präsenz und Kopfballstärke entlastet."
Sogar Goretzka fliegt an ihm vorbei
Bislang ist das eher selten zu sehen, auch wenn seine Leistungen, wenn er denn mal länger spielen durfte, mindestens solide, meistens gut waren. Allerdings waren zumeist auch die Gegner nicht die besten und damit nicht der Maßstab für ein großes Urteil über seine Qualitäten. In der Hinrunde spielte er unter anderem gegen Kiel, Bochum und Union Berlin.
In den ersten Spielen der Saison kam er also regelmäßig zum Einsatz, festspielen in der Mannschaft konnte er sich aber nicht. Kompany hatte andere Pläne. Er setzte auf Joshua Kimmich und Aleksandar Pavlović, den Tuchel in der Vorsaison groß und zum DFB-Nationalspieler gemacht hatte. Der 20-Jährige ist zwar keine "Holding six", Pardon, kein klassischer Abräumer, aber den wünscht sich Kompany offenbar auch gar nicht. Er setzt auf Spieler, mit bester Technik und exzellentem Passspiel. Auf Spieler, die ein intensives Pressing mitgehen können. Pavlovic kann das Spiel organisieren und ergänzt sich gewinnbringend mit Kimmich, der die Dinge als Sechser regelt. Nach dem Schlüsselbeinbruch von Pavlovic bot sich Palhinha plötzlich die Chance, in die Mannschaft zu rutschen. Doch dann kam das Pech hinzu. Kurz darauf fiel er selbst mit einem Muskelbündelriss wochenlang aus. Und plötzlich war Leon Goretzka da, den die Münchner im vergangenen Sommer sehr gerne abgegeben hätten. Auch er ist mittlerweile in der Hierarchie am Portugiesen vorbeigezogen. Er hat die Fähigkeiten, die Kompany mag.
Geht's im Sommer schon zu Ende?
Goretzka kommt auf fast doppelt so viele Einsatzminuten wie Palhinha und spielt in einer Form, die ihn womöglich wieder näher an die Nationalmannschaft bringt. Dorthin möchte der lange Jahre gesetzte Goretzka unbedingt zurück. Für den Portugiesen, den fünftteuersten Transfer in der 125-jährigen Geschichte des FC Bayern, sind die Aussichten auf Spielzeit, auf einen Stammplatz verschwindend gering. Nach dem immer wieder verletzten Pechvogel Lucas Hernández und Matthijs de Ligt könnte der Holding-six-Mann der dritte Top-Transfer der Münchner werden, der nicht so aufgeht wie gewünscht. In engen Spielen wird Palhinha womöglich nochmal gebraucht, um Ergebnisse zu verteidigen. Im Kampf um den Ball hat er große Qualitäten, in der Spieleröffnung eher nicht. Bei einem Spielverlauf wie zuletzt im Bundesliga-Duell mit Bayer Leverkusen, als die Münchner in den Blaumann gezwungen wurden, hätte er mithelfen können. Aber er war krank.
Wie es nun weitergeht? Womöglich droht die schnelle Trennung in diesem Sommer. Sportvorstand Max Eberl hat nicht nur den Auftrag, den Kader auf höchstem Niveau umzubauen, sondern auch Gehälter einzusparen. Bislang ist das noch nicht gelungen. Die Vertragsverlängerung von Jamal Musiala ist teuer für den FC Bayern, ein neues Arbeitspapier für Kimmich, der sonst bereits in diesem Sommer ablösefrei gehen könnte, dürfte es auch werden. Palhinha könnte da ein willkommener Kandidat sein, das berichtet auch die "tz". Aber was bekommt man noch für einen 29-Jährigen, der längst vergessen wirkte?