Wück steht für Wechselglück

In die Gasse, durch den Tunnel: Wirklich viel zu sehen bekommen hatten 14.394 Zuschauer in Nürnberg – unter ihnen auch Ex-Bundestrainer Horst Hrubesch und die Freiburger Trainerikone Christian Streich – bislang nicht. Im Nieselregen hatte sich das Team mehr als 45 Minuten lang schwer getan, sich Chancen herauszukombinieren. Nach dem Remis gegen die Niederlande am Freitag sollte in der Nations League der erste Sieg her, zwei Wechsel zur Pause sollten Abhilfe schaffen. Und tatsächlich: Jule Brand spielte einen Steckpass in den freien Raum, wo die eingewechselte Linda Dallmann die Idee ihrer Mitspielerin geahnt hatte und den Ball Österreichs Torfrau Manuela Zinsberger durch die sprichwörtlichen Hosenträger schob (56. Minute). Major Tom gab sich qua Tormusik völlig losgelöst, den DFB-Frauen ging es kaum anders.

Das Ergebnis: 4:1 (1:1) setzt sich die DFB-Auswahl im Nachbarschaftsduell mit den Österreicherinnen durch. Ein Erfolg, dessen Höhe den Spielanteilen entspricht – der sich aber erst abzuzeichnen begann, als Bundestrainer Christian Wück seine starke Bank von der Leine ließ.

Ein Hauch von Algarve: Die deutsche Auswahl war gegen Österreich zwar das Heimteam, auflaufen durften Giulia Gwinn und Co. allerdings erstmal im neuen Auswärtsdress. Der sieht auf den Hochglanzfotos in den Fanshops grell genug aus, wirkte im fränkischen Schmuddelwetter aber fast schon weinrot. Noch irgendwo ein dunkelgrüner Akzent, und die DFB-Frauen hätten das Spiel auch für Portugal werten lassen können.

Nach zwei Minuten macht's Scha-sching: Als Klara Bühl bäuchlings über den Rasen des Max-Morlock-Stadions rutschte, zeichnete sich das drohende Unheil noch nicht ab. Gewonnen hatten die Österreicherinnen den Ball tief in der deutschen Hälfte, weit weg vom Tor von Stina Johannes, die als Vertretung der erkrankten Ann-Katrin Berger für den DFB zwischen den Pfosten stand. Nur: Die Struktur hinter Bühl, sie passte gar nicht. Über wenige Stationen spielte Österreich den Ball in die Spitze, am Ende stand die nachgerückte Annabel Schasching völlig frei und veredelte den Konter zum 1:0 für die Außenseiterinnen (2.).

Wückwerk ist Stückwerk: Die deutsche Reaktion? »Staunen« wäre vielleicht etwas zu viel des Fiesen, aber die Gegenwehr hielt sich doch in Grenzen. Leichte Ballverluste häuften sich, jenseits von Bühls individueller Klasse (19.) schaffte es fast kein Mittel der DFB-Auswahl, den Weg zum Tor freizukriegen. Österreich setzte Nadelstiche, brachte mit hohem Pressing Torhüterin Johannes in Verlegenheit (20.) und hatte durch Julia Hickelsberger gar die Chance aufs 2:0 (23.). Bundestrainer Wück ließ daher auch nach dem Spiel im ZDF kein gutes Haar an den ersten 45 Minuten: »Da war sehr viel Stückwerk, wir haben sehr viele leichte Fehler gemacht, sehr viele Basics nicht gut gemacht, alle Zweikämpfe verloren.«

Goldenes Händchen: Zur Pause hieß es dennoch 1:1, Rebecca Knaak hatte nach einer Freistoßflanke quergelegt, Laura Freigang eingeschoben (39.). Wück hatte dennoch keine Gnade mit der in der Bundesliga für Eintracht Frankfurt so erfolgreichen Angreiferin, er wechselte zur Pause doppelt. Dallmann kam neu ins Spiel, dazu ersetzte Sara Däbritz die glücklose Sjoeke Nüsken. »Wir brauchen jetzt Ballsicherheit«, habe die Ansage laut Dallmann geheißen – und zu der fand das deutsche Team tatsächlich quasi umgehend. Österreich lief nur noch hinterher.

Kontaktbeschränkung: Nach Dallmanns 2:1 setzte sich der Trend nahtlos fort. Auf deutscher Seite war Brand auf dem rechten Flügel kaum noch zu halten, doch auch gegen den Ball war die deutsche Elf nun deutlich griffiger. Beim 3:1 halfen die Österreicherinnen dann aber auch mit: Ein schlampiger Fehlpass landete bei Dallmann, mit einem Kontakt landete der Ball bei der eingewechselten Giovanna Hoffmann, mit dem nächsten gleich im Tor. Zack, zack, die DFB-Elf setzte mittlerweile einen Klassenunterschied durch (70.).

Endemann, alles gut: Als hätte es nicht schon genug Jokertore geregnet, wechselte Wück dann auch noch Brand aus – und Vivien Endemann ein (79.). Endemann, frisch auf dem Platz, drang flugs mit Ball am Fuß in den Strafraum ein und wurde zu ihrer eigenen Verwunderung so wenig angegriffen, dass sie den Ball einfach ins lange Eck legen konnte. Die Österreicherinnen hatten offenbar fest damit gerechnet, dass Endemann den Ball noch einmal quer legen würde.

Alles heil geblieben: Zum Schluss wurde es dann noch einmal etwas mulmiger. Knaak humpelte vom Platz, hatte sich offenbar wehgetan. Noch eine Defensivspezialistin wollte das deutsche Team sicher nicht verlieren, zumal Bibiane Schulze Solano mit einem Kreuzbandriss lange fehlt. Wück gab allerdings leichte Entwarnung: »Sie hat rechtzeitig Bescheid gegeben, ich glaube nicht, dass irgendwas gerissen ist.« Im April geht es mit den nächsten Länderspielern weiter, sehr gut möglich, dass Knaak dann erneut mit von der Partie sein wird.

Rebecca Knaak auf dem Sprung: Die DFB-Frauen traten im neuen Auswärtstrikot an

Foto: Daniel Löb / dpa

Annabel Schasching brauchte keine zwei Minuten, um die deutschen Schluderigkeiten in der Defensive offenzulegen

Foto: Daniel Löb / dpa

Laura Freigang erzielte den zwischenzeitlichen Ausgleich für Deutschland, musste aber trotzdem vom Platz

Foto: Daniel Löb / dpa

Das könnte Ihnen auch gefallen