Nach Albtraum-Tag: Das sind die Optionen des FC Bayern
Dem FC Bayern dürfte dieser 26. März als ein ganz bitterer und womöglich folgenreicher Tag in Erinnerung bleiben. Die Leistungsträger Alphonso Davies und Dayot Upamecano melden sich verletzt ab. Beide sind mit Blick auf das große Ziel eigentlich nicht zu ersetzen.
Bislang war der 23. Oktober als schlimmster Mittwoch dieser Saison im Kalender des FC Bayern markiert. Beim FC Barcelona waren die Münchner in der Champions League auf Grund (1:4) gelaufen. Hansi Flick war an diesem Abend endgültig wieder zum Supertrainer geworden, der er als Bundes-Hansi vorübergehend nicht gewesen war. Und beim Rekordmeister bekamen sie es erstmals mit der Angst zu tun, dass das erneute "Finale dahoam" ein unerreichbares Ziel werden könnte. Viele Kalenderblätter weiter war diese Angst verflogen. Der FC Bayern wurde besser und besser. Räumte sogar den unbezwingbaren Riesen Xabi Alonso mit Bayer Leverkusen aus dem Weg.
Doch dann fiel das Kalenderblatt zum 26. März und die Münchner erwachen in einem Albtraum: Der formstarke Linksverteidiger Alphonso Davies fällt mit Kreuzbandriss mindestens sechs Monate aus und auch auf Abwehrchef Dayot Upamecano muss Trainer Vincent Kompany länger verzichten. Bei ihm wurden im linken Knie freie Gelenkkörper festgestellt. Beide sind eigentlich nicht zu ersetzen. Aber irgendwie muss es ja weitergehen. Zwei große Ziele hat der FC Bayern noch auf dem Zettel: Nach einer kurzen Schwächephase (Heimpleite gegen Bochum, Remis gegen Union Berlin) soll in der Fußball-Bundesliga wieder alles auf Titel gestellt werden. Und in der Champions League strahlt das "Finale dahoam" immer heller. Inter Mailand wartet im Viertelfinale, in einem möglichen Halbfinale dann das rätselhafte Borussia Dortmund oder der magische FC Barcelona mit Super-Höhenflieger Flick.
Nur eine Pleite war für den FC Bayern bislang wirklich folgenschwer. Das Achtelfinal-Aus gegen Bayer Leverkusen im DFB-Pokal. Auf alle weiteren Rückschläge folgten kleine bis große Auferstehungen. Nun geht es in die Alles-oder-Nichts-Crunchtime der Saison. Die Toleranz für Fehler wird immer kleiner. Und die Sorgen der Münchner immer größer. Das passt nicht zusammen. Das passt nicht in die Henkelpott-Vision des Rekordmeisters.
"Hat uns besonders hart getroffen"
Nun aber erst mal Baustelle. Gepaart mit Fachkräftemangel. Das ist keine gute Sache. "Bei Länderspielpausen besteht leider immer die Gefahr, dass Spieler verletzt zurückkommen", sagte Sportvorstand Max Eberl, "diesmal hat es uns besonders hart getroffen. Die Ausfälle wiegen schwer für den FC Bayern." Bauleiter Kompany muss zusammenkratzen, was ihm noch zur Verfügung steht, und daraus den bestmöglichen Trupp zusammenstellen. Doch die Sache ist nicht so einfach. Denn neben der Gewissheit bei Upamecano und Davies herrschte noch die Unklarheit bei Minjae Kim. Der Innenverteidiger setzte zuletzt zur Schonung aus, verpasste die Länderspiele mit Südkorea. Was seinen Nationalcoach wütend auf die Münchner machte. Sie hätten den Spieler, der schon länger Probleme hat, nicht ausreichend geschützt, ließ er als vergiftete Note übermitteln.
Und an diesem Mittwoch wurde noch eine giftige Note verschickt. Nedal Huoseh, der Berater von Davies, erhob schwere Vorwürfe gegen den kanadischen Verband und Nationaltrainer Jesse Marsch. Sein Spieler, sagte er dem "Münchner Merkur/tz", hätte im Nations-League-Spiel gegen die USA (2:1) "nicht spielen dürfen". Er sei bereits angeschlagen gewesen. Mit einer klügeren Entscheidung durch den ehemaligen Leipziger Trainer Marsch hätte man diese Verletzung "zu 100 Prozent verhindern können". Sie kostet Davies auch die Klub-WM im Sommer, um die es ja wegen der maximalen Überlastung seit Monaten Diskussionen gibt. Die hohe Belastung der Spieler und die Folgen fliegen dem Rekordmeister jetzt schon tüchtig um die Ohren.
Völlig wild?
Um nicht völlig wild zu werden, muss Minjae Kim als letzter Leuchtturm im Sturm helfen und um ihn herum werden die Alternativen drapiert. Vielleicht Eric Dier, der sehr zuverlässig und erfahren ist. Nicht aber schnell, was den guten Argumenten für ihn ein herausragendes Argument gegen ihn stellt. Zumal mit Davies auf der linken Außenbahn ja auch noch der Supersprinter wegbricht. Will der FC Bayern seine taktisch mutige und offensive Herangehensweise nicht nachhaltig ändern, kann er nicht von ICE auf Eurocity umbauen. Das spräche dann für Hiroki Ito als Mann neben Minjae Kim. Der Japaner scheint aber auch nicht erste Wahl für die linke Seite. Muss also Josip Stanisic ran, der sich auf der rechten Seite am wohlsten fühlt?
Wobei auch die Variante Kim mit Dier im Zentrum und Ito auf links (und Konrad Laimer auf der anderen Seite) schon funktioniert hat, zuletzt beim 4:0 gegen Eintracht Frankfurt. Allerdings wurde der von den Hessen angepeilte Stresstest für die Münchner Not-Besetzung nach kurzer Zeit abgeblasen. Es gab einfach nichts mehr, was eine nachhaltige Resilienz ausweisen könnte.
Gibt es die nächste wilde Goretzka-Wende?
Oder wird der wieder wichtige Leon Goretzka zur nächsten wundersamen Wende beim FC Bayern getrieben. Vom Comeback-Sechser zum erneuten Aushilfs-Innenverteidiger? Der zwischenzeitlich fast vergessene 51-Millionen-Mann Joao Palhinha müsste dann ran, weil mit Aleksandar Pavlović ein gesetzter DFB-Profi mit Pfeifferschem Drüsenfieber auf unbestimmte Zeit ausfällt. Der Portugiese würde sich freuen, er will es ja allen nochmal beweisen. Nichts scheint unmöglich. Alles hängt mit allem zusammen. Die Mitte (im Mittelfeld) mit der Mitte (in der Abwehr). Und die Mitte (in der Abwehr) mit der linken Seite. Wenn dort nicht Ito spielt, wer dann? Raphael Guerreiro, der eher ein Künstler ist, denn ein robuster Zweikämpfer?
Und was macht eigentlich Manuel Neuer, der Mann, der den Laden hinter dem Laden verteidigt? Der hat sich im Aufbautraining nach seinem Jubel-Unfall erneut verletzt und fällt länger aus als geplant. Vielleicht auch noch für die Duelle in der Champions League mit Inter. Immerhin ist sein Vertreter Jonas Urbig wieder fit, dem aber hängt immer noch der Patzer aus dem Spiel bei Union Berlin nach. Bislang hatte er noch keine Gelegenheit zu zeigen, dass er die unglückliche Vorlage zum 1:1 bestens weggesteckt hat. Aber bei all den Sorgen sei es eben so: "Unser Kader ist stark und wird diese Ausfälle auffangen", sagte Eberl: "Wir werden jetzt noch enger zusammenrücken. Die Qualität ist da, um weiter unsere großen Ziele zu verfolgen." Seit diesem 26. März ist Barça Geschichte. Dieser Mittwoch ist der schlimmste der Saison. Vielleicht hat er Potenzial für mehr. Vielleicht wird man irgendwann sagen, der 26. März ist der Tag, an dem die großen Träume des FC Bayern starben.