Der 1. FC Köln bleibt das Rätsel der 2. Liga
Der 1. FC Köln hat das Potenzial, die 2. Bundesliga zu dominieren. Doch stattdessen zeigt er immer wieder merkwürdige Auftritte wie am Sonntag im emotionalen Derby gegen Düsseldorf (1:1). Reicht das für den Aufstieg?
In der sechsten Minute der Nachspielzeit riss dann auch bei vielen alteingesessenen Fans des 1. FC Köln auf den Tribünen der Geduldsfaden. Der eingewechselte Luca Waldschmidt hatte eben einen Volleyschuss meterweit über das Tor genagelt und damit die letzte Torchance auf einen Sieg gegen Fortuna Düsseldorf kläglich vergeben. Es raunte im Stadion, Hände schlugen vors Gesicht. Das war's. Rätselraten: Woran hat et jelegen?
Während kurz nach Abpfiff die mitgereisten (und nicht von der Polizei festgesetzten und nach Hause geschickten) Fortuna-Anhänger lautstark feierten, legte sich eine seltsame Stimmung über die Kölner Tribünen. Mit verhaltenem Applaus wurde das Team in der Südkurve empfangen. Spürbare Ernüchterung statt Karnevals-Boost.
Beim FC auf dem Rasen aber brodelte es. Trainer Gerhard Struber hatte viel Diskussionsbedarf mit Schiedsrichter Michael Bacher. Es ging um eine Szene unmittelbar vor dem verhängnisvollen Handspiel der Kölner, das zum späten Elfmeter führte. "Ich hatte Feedback für den Schiedsrichter", nannte es Struber auf der Pressekonferenz. Auch Verteidiger Dominique Heintz war - wie schon im Pokalhit gegen Leverkusen - noch voll auf 180. In den Katakomben lieferte er sich ein lautes Wortgefecht mit gegnerischen Spielern, wurde gen eigene Kabine gezerrt.
Es ist dramatisch eng
Nun ist der 1. FC Köln ein emotionaler Klub. Davon zehrt er. Und es war definitiv ein emotionaler Sonntag. Bundestagswahl, Sonnenschein, der Sonntag unmittelbar vor Start in den wilden Straßenkarneval - und dann auch noch Heimspiel gegen den Rivalen vom Rhein: Fortuna Düsseldorf. Alaaf gegen Helau. Die Spieltagsansetzer hatten ihren Spaß.
Und nicht nur emotional sollte er sein, sondern auch wegweisend. Denn mit einem Sieg wollte der Effzeh Lokalrivalen Fortuna auf sechs Punkte distanzieren und die eigene Tabellenführung zementieren. So der Plan. Es kam anders. Durch den späten Ausgleichstreffer per Elfmeter rutscht der FC auf Platz zwei der Tabelle hinter den HSV. Mit zwei bzw. drei Zählern Abstand lauern Kaiserslautern, Magdeburg, Düsseldorf sowie Paderborn. Es ist kuschelig an der Spitze.
Schlauer ist man aus dem 1. FC Köln nach diesem Sonntag nicht geworden. So ein bisschen erinnerte das Spiel am Sonntag an die gesamte Kölner Saison. Nicht Fisch - nicht Fleisch. Eine Achterbahnfahrt. Dabei waren die Kölner vor den Augen von Klub-Ikone Lukas Podolski (feuerte im Ultrablock sein Ex-Team an) über viele Strecken deutlich besser im Spiel, kontrollierten - ohne wirklich Hurra-Fußball auszupacken. Linton Maina (18.) und Dejan Ljubicic (23.) hatten in der ersten Halbzeit die Führung auf dem Fuß. Die besorgte dann in der 67. Minute Ex-Kapitän Florian Kainz. "Dat Trömmelche" ging durchs Stadion. Eigentlich war nun alles angerichtet für eine rot-weiße Karnevals-Derby-Party.
Das Kölner Glück ist endlich
Doch statt das 2:0 zu erzielen und die Feier-Woche in der Domstadt endgültig einzuläuten, hemmte sich der Gastgeber selbst. Es folgten zehn merkwürdige Minuten. Die Struber-Elf zog sich zurück, ließ Fortuna kommen, die bis dato kaum nennenswerte Abschlüsse kreiert hatte. Das Resultat: Erst rettete das Aluminium die Kölner, dann aber wurde es richtig kurios. Bei einer Fortuna-Flanke schob Winter-Zugang Joel Schmied den Arm unnatürlich raus. Handelfmeter. Isak Johannesson verwandelte sicher. Die letzten FC-Aufbäumaktionen verpuffen eher kläglich. Raunen. Hände. Woran hat et jelegen?
Irgendwie bleibt der FC unter Coach Struber ein Rätsel der 2. Bundesliga. Ein Team mit einem Mix aus gestandenen Profis, die ordentlich Erstliga-Erfahrung gesammelt haben und vielversprechenden Talenten. Ein Team, das zwar offiziell im Soll ist, also in den Aufstiegsrängen steht, aber trotzdem viel Luft nach oben hat und vor allem: wenig emotionalen und mitreißenden Fußball zeigt.
In den ersten Spielen der Saison lieferte Strubers Mannschaft teils Spektakel-Fußball, steckte aber nach zehn Spielen plötzlich auf Rang zehn fest. Nach den Pleiten gegen Darmstadt und Paderborn (1:5 und 1:2) schrillten am Dom die Alarmglöckchen. Dann stellte der Österreicher das System um: von Vierer- auf Dreierkette, zudem setzte er fortan auf Routinier Marvin Schwäbe anstelle von Talent Jonas Urbig im Tor. Der 21-Jährige wechselte daraufhin im Winter zum FC Bayern.
Siehe da: Die Anpassung fruchtete. Der Effzeh setzte zur Aufholjagd an. Mit kontrollierter Offensive schob sich der Klub wieder an die Spitze. Hinten stand die Null, vorne effizient wie eine Spitzenmannschaft. Vor allem die jungen Angreifer Tim Lemperle (aktuell verletzt) und Damion Downs (gegen Fortuna angeschlagen erst in Halbzeit zwei eingewechselt) trafen und brachten den FC in die Spur. Der Favorit thronte von der Spitze, wurde Wintermeister, die Fans besangen den "Weltmeister vum Rhing". Im Pokal war das Team nur eine Minute Nachspielzeit weniger von der Sensation gegen Doublesieger Leverkusen entfernt.
Teurer "Blackout-Moment"
Und das mit Ergebnisfußball pur. Sieben Mal gewann der FC 1:0. Große Euphorie aber lösten die Spiele und Ergebnisse nun nicht aus. "Das sieht nicht sexy aus", gab selbst Struber zu. Aufschwung mit Minimalismus. Im neuen Jahr aber nahm der Schwung merklich ab. Weniger Tore, weniger Abschlüsse, weniger Großchancen: Der FC mutierte immer mehr zum harmlosen Offensiv-Team.
Erschwerend kommt hinzu, dass jetzt auch noch die Ergebnisse eine Delle bekommen haben. Vergangene Woche kassierte das Team eine herbe 0:3-Klatsche beim 1. FC Magdeburg. Am Sonntag folgte das bittere 1:1 gegen den Nachbarn aus Düsseldorf. Zum ersten Mal seit dem Darmstadt/Paderborn-Rückschlag im Herbst bleibt der Klub zwei Spiele in Folge sieglos. Das ist noch kein klares Abrutschen, die Situation aber wird schwieriger und heikler. In Köln ist die Stimmungslage volatil wie der Kölsch-Pegel in der Eckkneipe.
Die zwei verlorenen Punkte gegen Düsseldorf bezeichnete Struber als "richtig bitter". Die Szene zum Elfer sei ein "Blackout-Moment" gewesen. Generell hätte man die Endphase besser "wegverteidigen" müssen. "Es tut richtig weh", so der 48-Jährige. Wohin geht also die Reise des Aufstiegsfavoriten? "Es ist eine bessere Ausgangssituation als vor 17 Spieltagen. Da standen wir ein paar Plätze weiter hinten", erinnerte Kapitän Timo Hübers. "Wenn uns das jemand vor einem halben Jahr gesagt hätte, hätten wir es sofort unterschrieben." Dem Team sei aber durchaus bewusst, dass wir "ein bisschen was liegenlassen haben". So habe man es verpasst, ein Polster aufzubauen. Aber: "Wir sind voll im Rennen. Wir sind auf einem Platz, mit dem viele gerne tauschen würden."
Aufstiegs-Showdown im Ligafinale?
Der Aufstieg ist fast ein Muss: Mit dem von Sportchef Christian Keller zusammengestellten Kader ist der Aufstieg eigentlich Pflicht. Hinzu kommt: Viele Verträge von Leistungsträgern laufen 2025 oder 2026 aus. Heißt: Bei ausbleibender sportlicher Perspektive würde es auch schwieriger, die Stars zu halten. Gerade laufen zum Beispiel erste Gespräche um eine Vertragsverlängerung mit Youngster Downs.
Als klares Ziel ist die Rückkehr in die Bundesliga ausgegeben. Elf Spiele hat das Team noch. Aus dem Spitzenfeld treffen die Geißböcke noch auf Paderborn und den FCK. Am letzten Spieltag könnte es in Köln zwischen dem FC und Kaiserslautern zum Aufstiegs-Showdown kommen. Alles läuft auf einen richtigen Aufstiegs-Thriller im Endspurt der 2. Liga hinaus.
Jetzt aber nimmt erstmal eine Woche lang der Karneval Köln so richtig in Beschlag. Das Sessionsmotto 2025 lautet übrigens "FasteLOVEnd - wenn Dräum widder blöhe". Liebe und blühende Träume. Passt auch perfekt zum 1. FC Köln. Egal in welcher Liga.