Lob aus den Reihen von CDU und SPD, Grüne sprechen von »Gift«

Die Chefin der Wirtschaftsvereinigung der Union Gitta Connemann lobt das Sondierungspapier von CDU, CSU und SPD. »Unsere Betriebe bekommen die Aussicht auf bezahlbare Energie, wettbewerbsfähige Steuern und den Rückbau von Bürokratie«, sagte die Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion dem SPIEGEL. Leistung könne sich bald wieder lohnen, »durch eine Aktivrente, aber auch durch die komplette Reform des Bürgergeldes nach dem Prinzip ›Fördern und Fordern‹ einschließlich eines vollständigen Leistungsentzugs für Totalverweigerer.«

Connemann zeigte sich auch mit den Einigungen in der Migrationspolitik einverstanden. »Die illegale Migration soll endlich wirksam begrenzt werden – so stark wie seit zehn Jahren nicht mehr. Damit hat Deutschland wieder die Chance auf eine echte Willkommenskultur.«

Das Ergebnis sei ein »starkes Fundament für Koalitionsverhandlungen«, sagte Connemann, auch wenn es nur ein erster Schritt sei. Nach der Einigung auf eine Reform der Schuldenbremse und ein Sondervermögen für Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro hatte es in der Union vernehmliche Kritik gegeben, CDU und CSU würden in den Verhandlungen mit den Sozialdemokraten zu viele Zugeständnisse machen.

SPD-Linke mit Lob und Kritik

Sebastian Roloff, Vertreter des linken Flügels der SPD und Mitglied des Parteivorstands, gab sich ebenfalls zufrieden: »Es ist zu begrüßen, dass wichtige Vorhaben wie ein Industriestrompreis, das Tariftreuegesetz und der Mindestlohn verankert sind«, sagte er dem SPIEGEL. Er verwies aber auch auf offene Fragen. »Beim Bürgergeld wird es sehr auf die Ausgestaltung ankommen, auch hier gelten die Vorgaben aus Karlsruhe.«

Auch in der Migrationspolitik sei klar, »dass es sich trotz der genannten Prüfaufträge im Papier im Rahmen des europäischen und Verfassungsrechts bewegen muss, das betrifft insbesondere die Frage der Zurückweisung und Ausbürgerung«.

Serpil Midyatli, stellvertretende SPD-Vorsitzende und Landeschefin in Schleswig-Holstein, zeigte sich zufrieden mit den Ergebnissen bei Arbeit und Soziales, Bildung und Wirtschaft. Mit 15 Euro Mindestlohn und dem Tariftreuegesetz gebe es »viel Licht«, sagte Midyatli dem SPIEGEL. »Bei Asyl gibt es auch Schatten.« Da müsse man aber schauen, was am Ende rechtlich gehe.

Auch Juso-Chef Philipp Türmer kritisiert die Einigung in der Migrationspolitik. »Es darf keine Staatsbürgerschaft zweiter Klasse geben«, sagte Türmer dem SPIEGEL. Die SPD habe Merz im Wahlkampf kritisiert, den Entzug der Staatsbürgerschaft bei Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft zu fordern, so Türmer. »Dieser Punkt stößt mir beim ersten Blick auf das Sondierungspapier neben den Zurückweisungen an der Grenze extrem auf. Für Jusos sind derartige, massive und menschenrechtswidrige Verschärfungen untragbar.«

Positiv sieht Midyatli dagegen die Einigung zur Integration: die Stärkung der Integrationskurse, Sprachkitas und das Startchancen-Programm für Kitas. Wichtig sei auch alles, was nicht drinstehe, so Midyatli, »weil die Union überwiegend strittige Punkte zuerst klären wollte«. Als Beispiele nannte sie das Elterngeld und das Selbstbestimmungsrecht. »Das wird in den Koalitionsverhandlungen jetzt nicht mehr strittig.«

Grüne: Weiter weg von Zustimmung als zuvor

Bei den Grünen stießen die Ergebnisse der Sondierungsgespräche von CDU, CSU und SPD auf heftige Kritik. Statt strukturelle Probleme zu lösen, wollten die Parteien schon wie in früheren schwarz-roten Regierungen alles mit Geld zuschütten, sagte Parteichefin Franziska Brantner in Berlin. »Das ist Gift für unser Land.« Co-Parteichef Felix Banaszak erklärte: »Von einer Zustimmung sind wir heute weiter entfernt als in den letzten Tagen.«

Union und SPD dürften bei der Verabschiedung ihres bereits vor einigen Tagen vereinbarten Sicherheitspakets auf die Stimmen der Grünen angewiesen sein. Sie hatten vereinbart, die Schuldenbremse für höhere Verteidigungsausgaben zu lockern und ein schuldenfinanziertes Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur zu schaffen. Die Änderungen, für die eine Zweidrittelmehrheit nötig ist, sollen noch vom bestehenden Bundestag beschlossen werden – im nächsten Bundestag wird es wegen neuer Mehrheiten schwieriger.

Konkret werfen die Grünen Union und SPD vor, ihre Wahlversprechen durch diese neuen Finanzmittel finanzieren zu wollen, statt das Geld für tatsächliche Verbesserungen einzusetzen. »Wir sehen, dass es offensichtlich 500 Milliarden Euro nicht für zusätzliche Infrastrukturprojekte geben soll, sondern für Wahlversprechen, Mütterrente, Pendlerpauschale«, sagte Brantner.

Es sei bedrückend, dass Klimaschutz keine Rolle spiele, sagte Banaszak. »Die ökologischen Krisen unserer Zeit, ihre Tiefe, ihre Brutalität und die Notwendigkeit der Bewältigung dieser Krisen sind offensichtlich kein Thema für die sich bildende Koalition.« Die Aussagen zur Sozialpolitik seien enttäuschend. Die Union habe einen »Frontalangriff aufs Bürgergeld« durchgesetzt. Zudem fehlten Aussagen zur inneren Sicherheit.

AfD: Merz bricht seine Wahlversprechen

Die AfD warf Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz vor, mit der Sondierungsvereinbarung von Union und SPD seine Wahlversprechen zu brechen. »Für den Bruch seiner Wahlversprechen und seine Kapitulation vor dem Verschuldungswahn der SPD hat Friedrich Merz lediglich vage Versprechungen und Formelkompromisse in der Migrationspolitik voller Vorbehalte und Hintertüren bekommen«, erklärten die Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla.

Ihrer Ansicht nach tragen die sozial- und wirtschaftspolitischen Vorhaben »durchgehend die Handschrift des Wahlverlierers SPD«. Weiter hieß es: »Rezepte aus der sozialistischen Mottenkiste wie ›Industriestrompreis‹ und E-Auto-Subventionen schaffen weder Wohlstand noch Wirtschaftswachstum, sie beschleunigen die Talfahrt in Planwirtschaft und Deindustrialisierung.«

FDP: Zu wenig für unser Land

Unzureichend sind die Sondierungsvereinbarungen nach Ansicht der FDP. »Die Bürger und Unternehmen, die auf echte Entlastungen und Reformen gehofft haben, werden schwer enttäuscht«, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr. »Dem gigantischen Schuldenpaket steht nur einzelnes Stückwerk gegenüber. Es bleibt bei Bürokratie durch Lieferkettengesetz und ideologisierter Klimapolitik.«

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