Wie grün sind sich Schwarz und Rot?
1. Union und SPD sondieren
Uuuund? Hört man schon was? Meine Kolleginnen und Kollegen aus unserem Hauptstadtbüro, die heute am Jakob-Kaiser-Haus waren, wo sich hochrangige Vertreter von CDU/CSU und SPD zum ersten Mal zu Sondierungsgesprächen trafen, haben die Frage heute nicht nur einmal beschwichtigend beantworten müssen.
»Ist etwas schwierig, weil bisher nicht viel nach außen dringt«, schreibt mir meine Kollegin Sophie Garbe vorhin. »Als ich in den fünften Stock des Jakob-Kaiser-Hauses gegangen bin, wo die Union ihre Räume hat, wurde ich von Polizisten wieder weggeschickt. Mehreren Kollegen ist dasselbe passiert. Die Vertraulichkeit, die beide Seiten vereinbart haben, wird bisher also rigoros durchgesetzt.«
Fünf Tage nach der Bundestagswahl haben Union und SPD damit begonnen, eine mögliche schwarz-rote Koalition auszuloten. Führende Vertreter der drei Parteien wie die Vorsitzenden Friedrich Merz (CDU), Markus Söder (CSU) und Lars Klingbeil (SPD) trafen sich am Vormittag nahe dem Bundestag. Es wird erst mal um grobe Linien gehen, um einen Fahrplan für die Koalitionsverhandlungen; wenn es nach Friedrich Merz geht, soll die Regierung bis Ostern stehen.
Kriegen die das hin? Herausforderungen gibt’s ja genug, Trump, Putin, die AfD. Kann also Merz und kann eine neuerliche schwarz-rote Regierung die deutsche Demokratie retten? Es wäre die vierte Große Koalition seit 2005, wobei viele jetzt sagen, den Namen verdiene sie nicht mehr. Von einer »Gerade-noch-so-Koalition« schreiben meine Kollegen in der aktuellen SPIEGEL-Titelstory, die ich Ihnen sehr empfehle. (Lesen Sie sie hier ).
Darin loten sie die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Parteien aus. Und zwischen Merz und Klingbeil. Immerhin, lese ich in dem Text, hatten beide mal lange Haare.
Wer verhandelt? Worum geht es? Was Sie zum Beginn der Sondierungsgespräche wissen müssen, lesen Sie hier .
2. Selenskyj trifft Trump
Die europäischen Staats- und Regierungschefs geben sich im Weißen Haus gerade die Klinke in die Hand. Am Montag war Frankreichs Präsident Emmanuel Macron da und setzte im Gespräch mit Donald Trump auf Körpernähe – vielleicht haben Sie das Video auch gesehen, in dem er den US-Präsidenten tätschelt und umschmeichelt, wie um ihn irgendwie einzuhegen? (Hier mehr dazu).
Am Donnerstag dann kam Großbritanniens Keir Starmer, und auch er kam mit Umgarnungsgesten. Er brachte Trump einen Brief von Charles III. mit.
Man merkt an den Staatsbesuchen, wie viel für Europa gerade auf dem Spiel steht. Sie haben, schreibt meine Kollegin Julia-Amalia Heyer, »Nägelkau-Potenzial. Man weiß nie so recht, worauf es hinauslaufen wird. Wird er wieder etwas annektieren, eingliedern, kaufen wollen? Oder doch nur etwas umbenennen?« Trump ist erst einen guten Monat im Amt, und schon wankt die Weltordnung. (Lesen Sie hier mehr ).
Kaum jemand wird die Unberechenbarkeit Trumps als so schmerzhaft empfinden wie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Der US-Präsident hat ihn einen »Diktator« genannt, ihm die Schuld an Russlands Überfall auf die Ukraine gegeben. Heute ist Selenskyj in Washington, um mit Trump das Rohstoffabkommen zu verhandeln. Mein Kollege Christian Esch hat einen Report über den Deal geschrieben, den ich Ihnen sehr empfehle. Es ist die Geschichte eines Erpressungsversuchs.
Lesen Sie hier mehr: Suche: Bodenschätze. Biete: keine Sicherheitsgarantie
3. Fastenmonat Ramadan beginnt
In der Nacht von heute auf morgen beginnt der Fastenmonat Ramadan. Viele Musliminnen und Muslime in Deutschland werden an diesem Samstag den ersten Fastentag begehen. Wenige Tage nach der Bundestagswahl, in einem politischen Klima, das geprägt ist von aufgeheizten Diskussionen über Asyl und Migration, wie mein Kollege Merlin Menze berichtet.
Wie wirkt sich das auf den Fastenmonat aus, wie geht es Musliminnen und Muslimen in Deutschland gerade?
Merlin hat mit Natalia Amina Loinaz gesprochen, sie dokumentiert antimuslimische Übergriffe in Deutschland. Und sagt: »Für viele muslimische Menschen ist es schwer geworden, ihre religiöse Praxis frei von Ängsten auszuleben. Viele können sich nicht auf den Ramadan fokussieren.«
Loinaz sagt, Muslime seien während des Wahlkampfs selten angesprochen worden, sie seien nur dauernd als ein Problem dargestellt worden. Dabei sollten sie als Lösung mitgedacht – und vor allem mit an den Tisch gebeten werden. Muslimische Menschen, sagt sie, würden in Deutschland als Menschen zweiter Klasse behandelt, sie erzählt von mehr Übergriffen – zum Beispiel auf muslimische Schulkinder. »Wir sprechen nicht mehr von Ausschließung oder Mikroaggressionen, die uns leider sowieso tagtäglich begegnen – sondern von massiver Gewalt, die sich zuspitzt. Die Gewaltbereitschaft besorgt uns gerade sehr.«
Der Beginn des Ramadan könnte eine Chance sein, auf muslimische Mitmenschen zuzugehen, ihnen zuzuhören. Denn: »Ramadan ist die schönste Zeit des Jahres. Es ist der Monat des Zusammenkommens und der Rückbesinnung. Man denkt über sich selbst und die eigene Rolle in der Welt nach.«
Hier können Sie es lesen: »Für viele ist es schwer geworden, ihre religiöse Praxis frei von Ängsten auszuleben«
Was heute sonst noch wichtig ist
Zahl der Arbeitslosen sinkt im Februar minimal: Die Wirtschaftsflaute hat den Arbeitsmarkt weiter im Griff. Saisonbereinigt erhöhte sich die Zahl der Menschen ohne Job im Vergleich zum Vormonat sogar. Die erhoffte Frühjahrsbelebung ist noch nicht in Sicht.
Rüstungsexporte weiter auf Rekordkurs: Die deutschen Rüstungsexporte bleiben auf hohem Niveau. Nach SPIEGEL-Informationen wurden in den ersten Wochen des Jahres 2025 Deals für knapp 1,3 Milliarden Euro genehmigt.
Hunderttausende demonstrieren in Griechenland: 2023 kollidierten nahe dem griechischen Ort Tembi zwei Züge, 57 Menschen kamen ums Leben. Am Jahrestag des Unglücks fordern nun erneut Hunderttausende Konsequenzen. In Athen kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei.
Mutmaßlicher Angreifer von Aschaffenburg soll schuldunfähig sein: Der Mann, der eine Kitagruppe mit einem Messer angegriffen haben soll, ist wohl nicht schuldfähig. Das legt ein forensisch-psychiatrisches Gutachten nahe. Die endgültige Entscheidung muss ein Gericht treffen.
Meine Lieblingsglosse heute: Habecks frohe Botschaft
Freitags finden Sie hier immer die Kolumne »So gesehen« meines Kollegen Stefan Kuzmany als Teil der Lage am Abend. Heute schreibt Stefan über die neue Hoffnung für die Jünger des Robert:
1 Als aber der Wahlsonntag vorüber war und der dritte Tag anbrach, öffneten seine Jüngerinnen und Jünger das Instagram, um nach dem Habeck zu sehen. 2 Da war ein großes Klicken, und siehe, eine Videobotschaft des Herrn kam herabgeladen. 3 Und der Habeck sprach mit sanfter Stimme, so, wie sie ihn kannten. 4 Denn er war es selbst. 5 Und er sagte und sprach: Ich bin der Habeck, Euer Kandidat. 6 Das Nachdenken ist noch nicht zu Ende. 7 Vielleicht beginnt es jetzt erst richtig. 8 So dachte er laut, auf dass die Jüngerinnen und Jünger wussten, was gerade los war in seiner Welt. 9 Er bedachte auch Deutschland und vergaß nicht Europa. 10 Und er hatte es besprochen mit seiner Familie am Küchentisch, so wie viele es gerade besprechen mit ihren Familien an ihren Küchentischen. 11 So sprach der Habeck: Das Wahlergebnis entspricht nicht dem, wofür ich angetreten bin. 12 Und er sagte, es auch öffentlich gesprochen zu haben für alle Welt. 13 Siehe, bei dem nächsten Kapitel, das die Grünen schreiben, werde ich keine Führungsposition beanspruchen. 14 Und sie fürchteten sich sehr und klagten, auf dass er sie nicht verlasse, denn sie liebten ihn sehr. 15 So antwortete der Habeck und erklärte, damit sie es verstehen: 16 Ich nehme das Bundestagsmandat an. 17 Ich bin als Minister noch im Amt. 18 Denn Vernunft soll walten beim Übergang zur neuen Regierung. 19 Aber wahrlich, ich sage Euch: Vor dieser Regierung habe ich gewarnt, denn sie wird schwächlich sein und ohne Kraft. 20 Ihr aber werdet gebraucht, denn Ihr habt Zuversicht gebracht mit mir. 21 Und er sprach zu ihnen und gab ihnen den Auftrag. 22 Gehet hin und bringet Zukunft dem Land und den Menschen Zuversicht. 23 Denn wahrlich, ich sage Euch: Diese Reise geht weiter. 24 So sprach der Habeck, ihr Kandidat. 25 Da fassten sie neuen Mut, und groß war ihre Zuversicht: 26 Er wird wiederkehren. 27 In spätestens einem Jahr.
Alle Folgen »So gesehen« finden Sie hier
Was heute weniger wichtig ist
Grenzen setzen lernen: US-Model Chrissy Teigen, 39, Mutter von zwei Töchtern und zwei Söhnen, hat sich zu den Herausforderungen der Kindererziehung geäußert. In einem Podcast, aus dem das Magazin »People« zitiert, sprach sie über ihre Neigung, es immer allen recht machen zu wollen: »Ich habe wirklich Angst, das an meine Kinder weiterzugeben. Ich glaube, das ist die große Erkenntnis für mich, dass ich das meinen Kindern nicht antun kann.«
Mini-Hohl
Hier finden Sie den ganzen Hohl.
Cartoon des Tages
Und am Wochenende?
Oscars! Also, zumindest: Vorbereitung auf die Oscars. Die werden in der Nacht von Sonntag auf Montag verliehen (im Liveblog auf SPIEGEL.de mitzulesen), zum 97. Mal. 97 Jahre Academy Awards, das ist eine lange Zeit, und eine, in der viel Geraune und viele Mythen um die wichtigsten Filmpreise der Welt entstanden sind. Zum Beispiel: Dass die Filme immer länger, die nominierten Schauspielerinnen immer jünger und die Filme sowieso immer schlechter werden. Um ein paar zu nennen.
Mein Kollege Holger Dambeck hat in einer Datenanalyse den Faktencheck gemacht. Den empfehle ich Ihnen . Nebenbei lernen Sie viel über die Filme, die dieses Jahr nominiert sind.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende, das sich vielleicht schon ein bisschen nach Frühling anfühlt.
Herzlich aus Bangkok
Ihre Maria Stöhr, Südostasien-Korrespondentin
CSU-Chef Söder, Landesgruppenchef Dobrindt: Vertrauliche Verhandlungen
Foto:Hannes P Albert / Hannes P. Albert / dpa
Politiker Selenskyj, Trump in New York im September 2024: Den Geschäftssinn ansprechen
Foto:Alex Kent / Getty Images
Gemeinsames Fastenbrechen: »Ramadan ist die schönste Zeit des Jahres«
Foto: Sebastian Gollnow / picture alliance / dpaMoin liebe Leute!
Foto: Robert Habeck / YouTubeAus der »Gießener Allgemeinen Zeitung«
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Chappatte
[M] DER SPIEGEL / Britta Pedersen / dpa; Mubi; Michael Buckner / Variety / Getty Images; Universal Pictures; AF Archive / picture alliance / Mary Evans / Disney