IfW-Chef: Trump bietet Chance für wirtschaftlichen Wandel in Deutschland

Mit seiner Zollpolitik stellt US-Präsident Trump den Welthandel auf den Kopf. Für Deutschland muss das nicht unbedingt schlecht sein, sagt der Ökonom Schularick bei Lanz. Als Beispiel nennt der Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft besonders eine Branche.

Die neue Regierungskoalition ist noch nicht ganz gebildet. Die SPD befragt derzeit ihre Mitglieder, die CDU stimmt auf einem kleinen Parteitag ab. Doch voraussichtlich wird in einigen Wochen CDU-Chef Friedrich Merz zum neuen Bundeskanzler gewählt - in einer Zeit, in der der amerikanische Präsident mit einem wirtschaftspolitischen Rock ’n’ Roll die Welt in Atem hält. Am Dienstagabend diskutiert Markus Lanz im ZDF unter anderem mit dem niedersächsischen Noch-Ministerpräsidenten Stephan Weil und dem Präsidenten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, darüber, was auf die neue Regierung zukommen kann.

Schularick war erst vor zwei Wochen in den USA und beschreibt nun die Stimmung in Washington als verunsichert und verängstigt. Eine kohärente Strategie sieht er bei den Aktionen von Trump nicht. "Aber es kommen viele Dinge zusammen: Der Versuch, die Swing States politisch den Republikanern durch diese Zollpolitik auf absehbare Zeit zu sichern, auch der Versuch, durch die Zölle die Haushaltslöcher zu stopfen." Und dann gebe es ein Sicherheitsargument. Um in einem möglichen Sicherheitskonflikt mit China bestehen zu können, wolle man in den USA wieder die industrielle Basis aufbauen.

Schularick äußert sich besorgt um Amerika. Und er sagt: "Wir werden uns darauf einrichten müssen, dass dieser Sand im Getriebe des Welthandelssystems von den USA dort willkürlich hineingeworfen wurde. Und er wird da bleiben." Und mit dieser Ansicht steht Schularick nicht alleine. Auch Wissenschaftler in den USA warnen vor einer negativen Wirkung vor allem des Handelskrieges auf die Weltmärkte.

Für Deutschland könnten die Zölle eine Transformation der Wirtschaft bedeuten, so Schularick. Deutschlands Wirtschaft müsse auf Wachstum setzen. Zum Beispiel bei der Rüstungsindustrie, so der Ökonom. So könnte zum Beispiel ein Wirtschaftswachstum von bis zu zwei Prozent durch die Produktion der Waffen für die Bundeswehr entstehen. Weil fügt hinzu: "Das ist ein enormer volkswirtschaftlicher Faktor, und dann werden die einzelnen Standorte auch schauen, dass sie auch davon partizipieren." So soll das Rüstungsunternehmen Rheinmetall angeblich an dem VW-Werk in Osnabrück interessiert sein, das demnächst möglicherweise schließen muss. Stephan Weil bestätigt diese Informationen nicht. Er habe lediglich davon gelesen, sagt er.

Rüstungsindustrie schweißt nicht nur Stahl zusammen

Bei den Rüstungsunternehmen von morgen werde es sich um Hochtechnologiebereiche handeln, fügt Schularick hinzu. "Die Idee, dass es dabei nur um das Zusammenschweißen von Stahl geht, muss aus der Welt raus." In den nächsten Jahren werde Deutschland etwa 200.000 Jobs in der Autoindustrie verlieren, die Zulieferindustrie eingeschlossen. "Und natürlich gibt es dort viele Fähigkeiten. Wenn Sie an die Elektronik denken, die kann man auch zu Radarunternehmen bringen. Auch die Fragen von Mechanik sind übertragbar. Das ist nicht eins zu eins, das wird Kosten verursachen. Aber da ist ein Potenzial da. Wir machen das nicht, weil wir die Wirtschaft ankurbeln wollen, sondern weil wir sicherheitspolitisch in einer anderen Welt sind. Aber wenn wir das machen, sollten wir es so machen, dass wir davon einen ökonomischen Nutzen haben. Das heißt: Forschung und Entwicklung von Hochtechnologien, und in das Morgen und nicht in das Gestern investieren", so Schularick.

Das alles geschehe schon in der Praxis, sagt Stephan Weil. So baue der Automobilzulieferer Intercontinental Arbeitsplätze zum Beispiel am Standort Gifhorn in Niedersachsen ab. Dort werden die Mitarbeiter trainiert und dann bei Rheinmetall in der Lüneburger Heide weiterbeschäftigt. Wie weit die Bundesregierung hier handeln kann, ist noch offen.

Trump lege sich im Moment mit fast der ganzen Welt an, sagt Weil bei Lanz. Möglicherweise überhebe er sich damit. Die Amerikaner seien ein Teil einer völlig vernetzten Weltwirtschaft. "Und sie sind auch angreifbar." Die restliche Welt orientiere sich jedoch an den Gesetzen der Vernunft. Ob die bei Trump noch gelten, sei fraglich, so der SPD-Politiker. Unklar sei auch, ob es Trump wirklich um die Wirtschaft gehe oder ob er nicht eigentlich den Rechtsstaat und die Demokratie in den USA zerstören wolle.

Auch Söder hat kapiert, "um was es jetzt geht"

Klar ist aber: Union und SPD wollen miteinander regieren. Und das möglichst ohne Streit, so Stephan Weil. Dabei hat der schon lange angefangen. Seit einigen Tagen wird über den Mindestlohn diskutiert: Soll er erhöht werden, und wenn, dann wann und von wem? Das ist derzeit die Frage. Stephan Weil glaubt fest daran, dass die Erhöhung auf 15 Euro kommt, "aber nicht par ordre du mufti durch die Politik, sondern indem man schlichtweg einige Daten, die der Arbeit der entsprechenden Kommission zugrunde liegen, prognostiziert." Dabei kommt laut Weil annähernd eine Erhöhung auf 15 Euro heraus.

Dass der bayerische Ministerpräsident Markus Söder die Koalition von München aus torpedieren könnte, glaubt Weil nicht: "Die Politik der CSU ist gut einzukalkulieren. Sie will vor allem an die finanziellen Töpfe, das kann sie aber nur, wenn es stabile Verhältnisse gibt." Die CSU sei ein stabiler Partner. Das wisse die SPD auch aus anderen Koalitionen. Die CSU habe eine Mission: Bayern. "Wenn sie diese Mission erfüllen will, braucht sie stabile Verhältnisse in Berlin." Nun müsse die Koalition erst einmal mit dem Regieren beginnen, so Weil weiter. "Die haben alle kapiert, um was es jetzt geht, auch Markus Söder: Dass wir jetzt vier Jahre Zeit haben, um unsere Demokratie wieder zu stabilisieren. Das ist das absolute Oberziel, das diese Regierung haben muss. Und nach meinem Eindruck haben es die wesentlichen Akteure kapiert."

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