Carsten Linnemann stellt sich selbst ins Abseits

Dass der nach Merz profilierteste CDU-Wirtschaftsmann nicht Wirtschaftsminister werden will, zeugt von einer Überbetonung der eigenen Parteidenke. Ein großes Talent der Union droht nun an der Seitenlinie zu verharren.

"Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren." Der berühmte Satz, mit dem Christian Lindner 2017 die Jamaika-Sondierungen platzen ließ, kann einem einfallen, wenn man Carsten Linnemann reden hört. Denn was er in seinem Videostatement zu seinem Verzicht auf ein Regierungsamt sagt, hat es in sich. "Es muss halt auch passen, sonst macht es einfach keinen Sinn." Aha, es passt also nicht.

Aber was genau? Dass er gerne Arbeits- und Sozialminister geworden wäre oder Wirtschaft und Arbeit in einem großen Haus zusammengeführt hätte, ist ein offenes Geheimnis. Doch das Ressort liegt in den Händen der SPD. Ein Dauerbrenner von Linnemann, die Reform des Bürgergeldes, wird ein Sozialdemokrat ins Werk setzen. Für einen Wirtschaftsminister Linnemann wären nicht mehr allzu viele Herzensanliegen übrig geblieben.

Dann "halt nicht regieren"

In diesem Zusammenhang lässt ein weiteres Zitat aus seinem Video tief blicken: "Mein Bauchgefühl sagt mir an dieser Stelle: Als Generalsekretär kann ich besser den Politikwechsel forcieren. Das werde ich tun." Ein Politikwechsel soll also aus einem Parteiamt besser umzusetzen sein als in der Exekutive? Das kann Linnemann nicht ernst meinen. Natürlich hätte er als Minister gestalten und Einfluss nehmen können. Er will es nicht. Nicht als Wirtschaftsminister, nicht in dieser Regierungskonstellation.

Mit Blick auf die in allen möglichen Politikbereichen von der Union geforderte Politikwende hatte Linnemann im Januar der "Welt" gesagt: "Wenn es keinen Koalitionspartner gibt, der da mitgeht, dann können wir halt nicht regieren." Mit diesem Zitat bringt Linnemann wunderbar auf den Punkt, was für ein Typ Politiker er ist. Prinzipientreu sagt er selbst: "Es geht mir immer um die Sache", nach dem Motto: Wenn wir nicht das tun können, was wir für richtig halten, dann tun wir besser gar nichts. Vielleicht hat ihn also auch enttäuscht, dass die CDU-Programmatik, die er im Konrad-Adenauer-Haus erarbeitet hat, in den Koalitionsverhandlungen mit allerlei SPD-Positionen verrührt worden ist.

Weiter CDU pur

Linnemann steht wie kein anderer für CDU-pur-Politik. Koalitionskompromisse eingehen und annehmen, die eigenen Wunschvorstellungen mal für vier Jahre am Straßenrand parken und den verabredeten Mittelweg verfolgen, das ist nicht wirklich sein Ding. Insofern ist es durchaus konsequent, nicht nach dem nächstbesten Amt zu greifen, das Merz ihm anbieten konnte. Nicht jeder kann der Verlockung widerstehen, am Kabinettstisch Platz zu nehmen, für wichtig gehalten zu werden und sich wichtig zu fühlen. Für Unionsanhänger steigert Linnemann damit seine Glaubwürdigkeit.

Darin kann man aber auch eine Schwäche sehen. Der Kompromiss ist der Wesenskern unserer Demokratie. Alles durchbekommen wird man nie in einer Koalition. Linnemann kann nun als Generalsekretär weiter am Profil der CDU feilen. Die Musik spielt allerdings in der Bundesregierung. Wer Minister ist, wird das Bild der CDU im Land prägen. Wenn Linnemann nicht irgendwann bereit ist, den Kompromiss zu umarmen und auch mal den zweitbesten Weg entschlossen zu beschreiten, wird es dabei bleiben, dass er als Generalsekretär das aufschreibt, was die CDU dann immer nur zu 50 oder 75 Prozent durchsetzen kann. Nach einer vollkommenen Politikerkarriere klingt das nicht.

Das könnte Ihnen auch gefallen