Ich heiße Carsten Linnemann, bin Politiker und 47 Jahre, mit meinem Wahlgewinn eröffne ich keine Herrenboutique in Wuppertal
1. Linnemann bleibt Parteisoldat
Seit heute ist klar, dass Carsten Linnemann nicht in ein schwarz-rotes Kabinett wechseln wird. Er will CDU-Generalsekretär bleiben. Zuvor war spekuliert worden, er könne neuer Bundeswirtschaftsminister werden.
Am Sonntag noch lobte der CDU-Chef und mutmaßlich künftige Kanzler Friedrich Merz seinen Generalsekretär in den höchsten Tönen. Bei Caren Miosga pries er die Idee der Aktivrente, die es Rentnern ermöglicht, monatlich 2000 Euro steuerfrei zu verdienen: »Kommt nicht von mir. Kommt von Carsten Linnemann.« (Hier mehr zur Sendung .)
Es wirkte so, als ob Merz vermitteln wollte: Achtung, von diesem Mann werden Sie noch hören, der hat sich für höhere Weihen qualifiziert.
Warum jetzt doch nicht? Merz hatte Linnemann wohl alle Optionen offengehalten: ins Kabinett zu gehen oder die CDU als Generalsekretär weiter mit anzuführen. Der »Bild«-Zeitung sagte Linnemann: »Wir haben in den letzten drei Jahren hart daran gearbeitet, unsere CDU wieder aufzubauen. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Ich will ihn fortsetzen.«
Merz ist offenbar sehr zufrieden mit dieser Entscheidung. Man kann das als rationalen Entschluss interpretieren, man kann darin aber auch ein Nachtreten in Richtung Angela Merkel und Armin Laschet lesen. »Wieder aufbauen« setzt vorherige Zerstörung voraus.
Möglicherweise eine trügerische Einschätzung: Bei der Beurteilung von Politikerinnen und Politikern nach Sympathie und Leistung (»Was halten Sie von?«) fällt Friedrich Merz auf seinen Tiefstwert von minus 0,8. Schlechter schneiden nur Olaf Scholz, Sahra Wagenknecht und Alice Weidel ab.
Lesen Sie hier mehr: Carsten Linnemann verzichtet auf Ministeramt
2. Überall Defizite
Der Staat hat im Jahr 2024 etwa 6,8 Prozent mehr eingenommen und rund 7,1 Prozent mehr ausgegeben als im Jahr 2023: Einnahmen von 1977,6 Milliarden Euro standen Ausgaben von 2082,1 Milliarden Euro gegenüber. Das Finanzierungsdefizit lag also bei 104,4 Milliarden Euro.
Wäre der Staat konsequenter beim Geldeintreiben, ließe sich diese Summe auf null drücken, womöglich sogar ins Plus drehen. Zu diesem Schluss kommt der neue Sonderbericht des Bundesrechnungshofs . Allein bei den Steuervergünstigungen ergebe sich ein Sparpotenzial von 30 Milliarden Euro jährlich. Durch den ermäßigten Mehrwertsteuersatz gingen dem Staat weitere 35 Milliarden Euro flöten, so der Bundesrechnungshof. Auf bis zu 70 Milliarden Euro schätzen die Prüfer allein den Schaden durch Nichterfassung, Manipulation und Löschen von Bargeldeinnahmen in Kassensystemen.
Die Liste lässt sich fortsetzen: Geldwäsche, Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung. Mein Kollege Alexander Preker hat den Bericht analysiert. Er listet 22 Punkte auf, mit denen der Staat seine Einnahmen erhöhen könnte. »Angesichts des wachsenden Schuldenbergs sind Maßnahmen zur Konsolidierung des Bundeshaushalts dringlicher denn je«, sagt Rechnungshof-Präsident Kay Scheller. Allein: Es hapert oft an der Technik. Was schätzen Sie, seit wann die Steuerverwaltungen des Bundes und der Länder an einer gemeinsamen digitalen Infrastruktur arbeiten? Seit 16 Jahren.
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Deutscher Staat verzichtet auf Milliardeneinnahmen
3. Nazis mit Rechtschreibschwäche
Erst gestern wurde bekannt, dass Rechtsextreme eine Lehrerin aus Oelsnitz in Sachsen bedroht haben und sie deshalb ihre Schule vorzeitig verlässt. Heute nun der nächste Fall von rechtsextremen Umtrieben: Die Oberbürgermeisterin von Zwickau, Constance Arndt, hat ein Drohschreiben in den sozialen Medien geteilt.
Die Mail im Postfach der Lokalpolitikerin der »Bürger für Zwickau« stammt von einer Adresse mit dem Namen »nsu@gmail.com«, der Absender nennt sich »Adolf Hitler«. »NSU« ist die Abkürzung für die rechtsterroristische Gruppierung »Nationalsozialistischer Untergrund«, die zwischen 2000 und 2007 neun türkisch- und griechischstämmige Kleinunternehmer und eine Polizistin erschoss.
In der jüngsten Nachricht heißt es: »Denken Sie an Walter Lübke. Immer schön aufpassen«. Der 2019 von einem Rechtsextremisten ermordete CDU-Politiker Lübcke ist in der Nachricht falsch geschrieben.
Auf Instagram schreibt Constance Arndt, sie habe Strafantrag gestellt. »Ja, ich empfinde es bedrohlich«, schreibt sie. »Einschüchtern lasse ich mich nicht.« Sie habe die Mail auch deshalb veröffentlicht, weil sie hofft, Öffentlichkeit sei »eine Art des Schutzes«.
Ich bin in Sachsen geboren, es tut mir leid, das zu schreiben, aber bei großen Teilen der sächsischen Öffentlichkeit bin ich mir da nicht mehr so sicher.
Lesen Sie hier mehr: Oberbürgermeisterin von Zwickau veröffentlicht rechtsextremes Drohschreiben
Was heute sonst noch wichtig ist
Selenskyj entlässt nach russischem Raketenangriff Gouverneur von Sumy: Russland tötete mit zwei Raketenangriffen am Palmsonntag Dutzende Zivilisten und sprach von einem angeblich militärischen Ziel. Nun schasst Kyjiw den Gouverneur der getroffenen Region.
Mark Zuckerberg kämpft gegen mögliche Meta-Zerschlagung: Die US-Handelsaufsicht FTC wirft dem Facebook-Konzern vor, WhatsApp und Instagram zu überhöhten Preisen übernommen zu haben, um sein Monopol zu verteidigen. Im Zeugenstand verteidigte der CEO sein Vorgehen.
Schleswig-Holsteins Haushalt 2024 war verfassungswidrig: Im vergangenen Jahr nahm Schleswig-Holsteins Landesregierung drei Notkredite auf – zu Unrecht, wie nun ein Gericht in Schleswig entschied. Finanzministerin Schneider kündigt eine sorgfältige Auswertung des Urteils an.
Warum Ostern dieses Jahr teurer sein dürfte: Bunt gefärbte Eier oder Schokohasen gehören für viele Menschen zum Osterfest. Diese und andere Osterlebensmittel kosten in diesem Jahr allerdings mehr. Günstiger wurde nur eine wichtige Kategorie.
Meine Lieblingsgeschichte heute: Die Ballerinas sind zurück
Meine Kollegin Sylvie Gühmann war eines dieser Kinder mit ostfriesischem Plattfuß, eines, das mit einer orthopädischen Sohle, die einem modellierten Unterfuß glich, ihre Gänge bewältigen musste. Normalerweise wären Ballerinas für sie das perfekte Schuhwerk, kann man doch so easy hineinschlüpfen. Eigentlich nicht der Rede wert, wäre da nicht ihre eindringliche Warnung vor »diesen Bananenschalen«. Man müsse sich pauschal gegen alles mit Händen und Füßen sträuben, das mit dem Wort »Schlupf« zu tun hat, Schlupflider wolle ja auch keiner. »Tun Sie es nicht. Lassen Sie die Bananenschalen da, wo sie hingehören: im Gedächtnisregal«, so Sylvies Kommentar zur Rückkehr der Ballerinas.
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Den Schuh zieh ich mir nicht (noch mal) an!
Was heute weniger wichtig ist
Newsfunky: Die »Tagesschau« um 20 Uhr ist für Millionen Menschen in Deutschland fester Bestandteil ihres Tagesablaufs. Bald werden sie dabei von auch von Romy Hiller, 43, begrüßt. Die gebürtige Wismarerin ergänzt das Quintett um Jens Riewa, 61, Susanne Daubner, 64, Julia-Niharika Sen, 57, Constantin Schreiber, 45, und Thorsten Schröder, 57. Ihr Traumberuf sei eigentlich Auslandskorrespondentin gewesen, so Hiller. »Dann bin ich mehr und mehr in die Moderation gerutscht. Jetzt bin ich sehr glücklich damit.«
Mini-Hohl
Hier finden Sie den ganzen Hohl.
Cartoon des Tages
Und heute Abend?
Vor wenigen Wochen durfte die einzigartige Singer-Songwriterin Sophie Hunger in der Hamburger Elbphilharmonie ein eigenes viertägiges Festival ausrichten. An zwei ausverkauften Abenden gastierte sie mit dem phänomenalen niederländischen Metropole Orkest. Auf dem Programm des Wochenendes standen außerdem Lesungen aus ihrem im März 2025 erscheinenden Debütroman »Walzer für Niemand«. Dieses Buch könnten Sie sich heute besorgen und anfangen zu lesen. Im Interview mit dem SPIEGEL erzählte sie kürzlich, wie sie beim Schreiben vorgeht: »Ich mache zu Beginn eine Art Baukasten. Welche Elemente gibt es, welche Spiegel stehen wo, was für heimliche Parallelwelten laufen mit. Immer, wenn ich nicht weiterkomme, springe ich zu einem anderen Element. Am Ende müssen alle Fäden ineinanderlaufen.« Bei ihrem Erstlingswerk ist das formidabel gelungen!
Einen schönen Abend. Herzlich
Ihr Janko Tietz, Ressortleiter Nachrichten
CDU-Politiker Merz und Linnemann. Letzterer gewann zwar nicht 500.000 Mark im Lotto, wie Loriots 66-jähriger Rentner »Erwin Lindemann«, der dann erstmal eine Reise nach Island macht, anschließend mit seiner Tochter nach Rom fährt und eine Papstaudienz besucht. Und im Herbst dann in Wuppertal eine Herrenboutique eröffnet. Aber immerhin gewann Linnemann seinen Wahlkreis Paderborn
Foto: Florian Gaertner / photothek.de / picture allianceAbriss der maroden Westendbrücke der A100 in Berlin: Strukturelle Defizite, Vollzugsmängel und ausbleibende Reformen
Foto: Hannes P Albert / dpaConstance Arndt, Oberbürgermeisterin von Zwickau: »Einschüchtern lasse ich mich nicht«
Foto: Ralph Koehler / propicture / action pressOrthopädische Brisanz: »Tragende laufen mit der Zeit nicht mehr im Schuh, sondern in völliger Selbstaufgabe neben der Sohle«
Foto:Jan Knoff / plainpicture
Hendrik Lüders / NDR / dpa
Ladenschilder in Frankfurt am Main
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Klaus Stuttmann