Zahl der Übergriffe gegen Journalisten hat sich 2024 mehr als verdoppelt

Journalistinnen und Journalisten leben in Deutschland wieder gefährlicher. Laut einer Auswertung der Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) hat sich die Zahl der gewaltsamen Übergriffe auf Medienschaffende im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt.

Demnach wurden 89 tätliche Angriffe dokumentiert und belegt – die meisten am Rande von Kundgebungen, vorwiegend zum Nahostkonflikt, aber auch bei Veranstaltungen der rechten Szene und von Abtreibungsgegnern. Im Vorjahr 2023 hatte es bundesweit 41 Attacken gegeben.

Nur im Coronajahr 2022 war mit 103 Übergriffen ein höherer Wert als 2024 gemessen worden. Die Zahl der nicht gemeldeten Vorfälle dürfte wie immer noch höher liegen.

Bei 75 der dokumentierten Vorfälle handelte es sich um Angriffe gegen Menschen. 14 Angriffe richteten sich gegen Redaktionsgebäude oder Wohnhäuser.

Tritte, Schläge, Wurfattacken

Am häufigsten waren körperliche Attacken in Form von Tritten und Schlägen, auch mit Gegenständen wie Fahnenstangen oder Trommelschlägeln. Als Angriff gewertet wurden diese, sofern sie Körper oder Ausrüstung tatsächlich getroffen haben.

Medienschaffende wurden teils brutal zusammengeschlagen, sie wurden zu Boden gestoßen, in die Genitalien getreten, mit Kaffeebechern oder rohen Eiern beworfen oder mit Pfefferspray attackiert, so die Menschenrechtsorganisation in ihrem Report zur Lage der Pressefreiheit in Deutschland. Der Bericht wird an diesem Dienstag veröffentlicht.

»38 Fälle körperlicher Gewalt ereigneten sich allein auf Nahost-Demonstrationen in Berlin«, so RSF. »21 weitere Angriffe kamen aus dem verschwörungstheoretischen und rechtsextremen Umfeld.«

Gerade mit Blick auf Angriffe aus dem rechtsextremen Lager spricht RSF zudem von einer hohen Dunkelziffer, »da gerade Lokalreporterinnen und -reporter, die immer wieder angegriffen werden, dies nicht jedes Mal melden«.

»Zunehmend verengtes Verständnis von Pressefreiheit«

Generell erleben Reporterinnen und Reporter in Deutschland dem Bericht zufolge »eine zunehmende Pressefeindlichkeit und ein verengtes Verständnis von Pressefreiheit«. Viele Leute würden Menschen aus der Medienbranche, die nicht ihrem eigenen politischen Spektrum entstammen, mittlerweile als Gegner ansehen, so die Analyse.

Als Beispiel nannte RSF die Berichterstattung über den Gazakrieg, der 2023 nach einem Angriff der Hamas auf Israel ausgebrochen war. »Vor allem nach dem 7. Oktober 2023 wurde RSF aus mehreren Redaktionen von einem stark verengten Meinungskorridor bei der Arbeit zu Israel und Palästina berichtet.«

Im internationalen Vergleich belegt Deutschland in der Rangliste der Pressefreiheit von RSF derzeit den zehnten Platz. Die Position hatte sich verbessert, nachdem die Zahl der Übergriffe gegenüber 2023 gesunken war.

Trotz der 2024 verbesserten Platzierung merkte RSF im Vorjahr an, dass pressefeindliche Tendenzen in Deutschland insgesamt zugenommen hätten. »Besonders im Internet werden Journalistinnen und Journalisten immer wieder diffamiert, manche bekommen gar Morddrohungen«, so die Organisation.

An der Spitze der Liste stehen bereits seit Jahren Norwegen, Schweden und Dänemark. Weltweit hat sich die Lage der Pressefreiheit allerdings deutlich verschlechtert. Weltweit wurden 2024 so viele Journalisten getötet wie noch nie.

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