Wut über Erdogan treibt viele Tausende auf die Straßen
Fünf Stunden lang wird Istanbuls Bürgermeister Imamoglu von der Polizei verhört, am Abend und in der Nacht gehen seine Befragungen vor Gericht weiter. Die Polizei geht derweil erneut gewaltsam gegen die zahlreichen Protestierenden vor.
Während Istanbuls festgenommener Bürgermeister Ekrem Imamoglu vor Gericht befragt wird, gehen die Proteste gegen seine Festnahme trotz Verbots weiter. In Istanbul, Ankara, Izmir und anderen türkischen Städten setzten sich am Abend Demonstrationsmärsche in Gang, wie lokale Medien und Beobachter berichteten. Auch tagsüber gab es Protestkundgebungen in verschiedenen Teilen des Landes. Auf Bildern aus Istanbul waren Tausende Teilnehmer zu sehen. Aus Istanbul und Ankara wurde auch erneut der Einsatz von Pfefferspray gegen Demonstranten berichtet.
Das Istanbuler Gouverneursamt hatte zuvor die Protestverbote für die Stadt verschärft und verlängert. Ab Sonntag gelten auch Zugangsbeschränkungen für die Stadt. Menschen, die etwa an Demonstrationen teilnehmen wollen, sollen demnach nicht mehr in die Stadt gelassen werden. Wie das umgesetzt werden soll, ist bislang unklar.
Gericht entscheidet über Untersuchungshaft
Imamoglu verbrachte am Samstag mehrere Stunden zur Befragung auf einer Polizeiwache und wurde dann ans Gericht überstellt. Dort gab er am Abend eine Aussage gegenüber der Staatsanwaltschaft ab. Er soll zudem einem Richter zur Aussage vorgeführt werden. Ob darauf die Anordnung einer Untersuchungshaft folgen wird, ist noch offen.
Vor dem Gerichtsgebäude hat die Polizei zahlreiche Wasserwerfer in Position gebracht. Auch dort kamen Menschen zum Protest zusammen. Die Zeitung "Cumhuriyet" berichtet, die Polizei hätte Anwälte daran gehindert, in das Gerichtsgebäude zu gelangen und teilte ein Video von einer Rangelei. Neben Imamoglu sollen rund 90 weitere Personen befragt werden, die wie Imamoglu am Mittwoch festgenommen wurden.
Im fünfstündigen Polizeiverhör hatte Imamoglu sämtliche im Rahmen der Ermittlungen gegen ihn gerichteten Vorwürfe zurückgewiesen. "Die gegen mich erhobenen unmoralischen und haltlosen Anschuldigungen, die von erfundenen Berichten bis hin zum Zeitpunkt der Ermittlungen reichen, zielen darauf ab, mein Ansehen und meine Glaubwürdigkeit zu untergraben", sagte der Politiker im Anschluss an eine mehrstündige Befragung laut einer Mitteilung der Stadtverwaltung. Imamoglu will bei der Präsidentschaftswahl 2028 für seine Partei CHP antreten.
Dem Istanbuler Bürgermeister werden Vorwürfe in Zusammenhang mit Terrorismus und organisierter Kriminalität gemacht, dabei geht es unter anderem um angebliche Verbindungen Imamoglus zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Beobachter halten die Vorwürfe für fingiert und sehen dahinter den Versuch der Erdogan-Regierung, einen politischen Kontrahenten auszuschalten. Auch der Protest auf den Straßen richtet sich explizit gegen die Regierung.