Union und SPD einigen sich mit Grünen auf Schuldenpaket
Die von Union und SPD geplanten Grundgesetzänderungen zur Schuldenbremse könnten nun doch durch den Bundestag kommen. Nach übereinstimmenden Medienberichten hat sich Schwarz-Rot mit den Grünen auf eine gemeinsame Formel verständigt. Die Grünen können viele Forderungen durchsetzen.
Die Grünen werden SPD und Union nun offenbar doch zu einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag für die geplante Änderung der Schuldenbremse verhelfen. Nach übereinstimmenden Berichten haben sich CDU, CSU, SPD und Grüne entsprechend verständigen können. Das erfuhr auch ntv aus Fraktionskreisen. Am frühen Nachmittag wollen die Parteien die Öffentlichkeit informieren, im Anschluss an Sondersitzungen ihrer Fraktionen.
Das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet, dass das geplante 500 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für Investitionen in die Infrastruktur der gefundenen Kompromissformel nach einer "Zusätzlichkeit" unterliegt. Das Geld darf demnach nicht in laufende Projekte oder konsumptive Staatsausgaben fließen. Ferner sollen 100 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) gehen, wo sie etwa für den Ausbau der Energieinfrastruktur genutzt werden könnten. Dabei sollen die staatlichen Zuschüsse an die Übertragungsnetzbetreiber - die früher vom Endverbraucher gezahlte EEG-Umlage - offenbar aus dem Kernhaushalt kommen, nicht aus dem KTF.
In der Sondersitzung des alten Bundestags am Donnerstag hatten CDU-Chef Friedrich Merz und der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil noch 50 Milliarden Euro für den KTF angeboten, nachdem Klimaschutzprojekte bei der Vorstellung der Idee des Sondervermögens am 4. März noch überhaupt nicht angedacht waren. Die Grünen bestanden indes auf eine Einbeziehung des Klimaschutzes und auf eine Zusicherung, dass jeder Kredit-Euro zusätzlich in Investitionen fließt und keinesfalls Steuergeschenke der kommenden Bundesregierung finanziert.
Nach Informationen von "stern" und ntv dürfen nun aus dem geplanten Sondervermögen Investitionen finanziert werden, die über eine Investitionsquote von 10 Prozent des Bundeshaushalts hinausgehen. Zugleich wird das Sondervermögen auf einen Zeitraum von 12 Jahren gestreckt, anstelle der ursprünglich von Union und SPD angedachten 10 Jahre.
3 Milliarden Euro für Ukraine kommen
Ferner hatten die Grünen bereits herausverhandelt, dass die künftig von der Schuldenbremse ausgenommenen Verteidigungsausgaben auch für den Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie für die Geheimdienste verwendet werden. Nicht durchsetzen konnten sie sich nach Informationen von "stern" und ntv bei den Verteidigungsausgaben: Ausgaben, die höher als 1 Prozent des Bundeshaushalts sind, sollen nicht in die Schuldenbremse einfließen. Die Grünen hatten eine Anhebung auf 1,5 Prozent gefordert, was den Spielraum der kommenden Regierung im Kernhaushalt verringert hätte.
Nach Informationen von "stern" und ntv haben sich die Verhandler zudem darauf verständigt, weitere 3 Milliarden Euro für die Ukraine, die das Bundeskanzleramt bislang zurückgehalten hatte, freizugeben. Auch dies war eine Forderung der Grünen. Merz sagte vor Journalisten: Bundeskanzler Olaf Scholz habe ihm zugesagt, die 3 Milliarden Euro freizugeben, wenn die Änderungen im Grundgesetz durch den Bundesrat sind. Ferner soll am Dienstag auch ein Entschließungsantrag zur Abstimmung gestellt werden, der die Bildung einer Expertenkommission zu einer grundlegenden Reform der Schuldenbremse fordert. Sowohl SPD als auch Grüne fordern eine solche Reform, statt die geltende Regel um weitere Ausnahmen zu ergänzen.
Merz nennt den "härtesten Brocken"
Merz berichtete seiner Fraktion, dass die Verhandler von Union, SPD und Grünen im Anschluss an die Sondersitzung des alten Bundestags am Donnerstag bis in den frühen Freitagmorgen zusammengesessen haben. Am Freitagvormittag gingen die Gespräche weiter. Das Sondervermögen sei der "härteste Brocken" gewesen, sagte Merz nach Angaben aus Fraktionskreisen. Der Unionsfraktionsvorsitzende soll für die erzielte Einigung breite Zustimmung von den Abgeordneten von CDU und CSU bekommen haben. Die Fraktion nahm den Vorschlag von Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt einstimmig an.
"Ich habe der SPD gestern bereits gesagt, der Konsolidierungsdruck wird durch die erzielten Ergebnisse nicht weniger", sagte Merz vor Medienvertretern. Die kommende Bundesregierung werde im Bundeshaushalt weiter sparen müssen. Er sei mit den Ergebnissen "sehr zufrieden", sagte Merz. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt deutete weitgehende Zugeständnisse an die Grünen an: "Wir sind alle einen weiten Weg miteinander gegangen", sagte Dobrindt. Er drückte den Grünen seinen ausdrücklichen Dank aus, nachdem die Partei sich wiederholt von CSU-Politikern oft unverhältnismäßig hart angegangen fühlte. Die Einigung sei ein "wahrlich umfangreiches Paket", sagte Dobrindt.
SPD-Partei- und Fraktionschef Lars Klingbeil sprach von einem "kraftvollen Anschub für Deutschland" in einer Pressemitteilung. Das Paket habe "das Potenzial, unser Land für die nächsten Jahre, vielleicht Jahrzehnte nach vorne zu bringen". Das Sondervermögen sei "das größte Infrastrukturprogramm in Deutschland seit jeher". Klingbeil will am Nachmittag vor die Presse treten.
Die notwendigen Grundgesetzänderungen für die Ausnahme von Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse, für das Sondervermögen Infrastruktur sowie für die Lockerung der Schuldenbremse der Bundesländer brauchen eine Zweidrittelmehrheit. Diese kommt bei der Sondersitzung des alten Bundestags am Dienstag zustande, wenn CDU, CSU, SPD und Grüne dafür stimmen. Im neuen, am 23. Februar gewählten Bundestag würden die Stimmen hingegen nicht reichen. Eine Grundgesetzänderung bräuchte mindestens die Stimmen von Linken oder AfD zusätzlich. Zudem ist noch die Zustimmung des Bundesrats notwendig.