Acht Witze, für die die »Titanic« richtig Ärger bekommen hat

Dass Christian Lindner gerade wenig Spaß versteht, kann man nachvollziehen. Immerhin wird dem Mann jetzt vorgeworfen, die einzige liberale Partei Deutschlands in den Abgrund gerissen zu haben – nicht unbedingt brüllkomisch!

Es stimmt auch, dass die »Titanic«-Titelseite aus dem Januar, die sich über sein ungeborenes Kind lustig macht (»Es wird ein Low Performer! Lindner stellt Eilantrag zur Abschaffung von § 218.«), ein ziemlicher Tiefschlag war – wenn auch ein präziser. Ob es aber klug ist, jetzt juristisch dagegen vorzugehen, ist eine andere Frage. Weiß Lindner, mit wem er sich anlegt?

Denn obwohl Lindner und das Satiremagazin beide im selben Jahr – 1979 – gelauncht wurden, hat die »Titanic« deutlich mehr Kampferfahrung als der scheidende FDP-Vorsitzende. Ganze Heerscharen von Anwälten und Richtern sind schon in den Kampf gegen die »Titanic« gezogen – meistens mit eher mäßigem Erfolg.

Und selbst wenn dann doch mal Teile eines Heftes verboten werden – bis heute ist das in mindestens 38 Ausgaben der Fall gewesen –, dann ist es erstens meistens zu spät, weil es schon am Kiosk lag. Zweitens bietet es noch mal eine herrliche Gelegenheit für die Macher, Aufmerksamkeit auf sich und ihr Spottobjekt zu ziehen – was die »Titanic« mit Lindner jetzt auch schon lustvoll zelebriert , wenn sie verlauten lässt, dass Verkaufsverbote »nur dornige Abowerbungen« seien. »Etwas Schöneres, als dass man verklagt wird, kann es unter Werbegesichtspunkten gar nicht geben«, hat Gabriele Rittig, die Rechtsanwältin des Magazins, deshalb auch mal gesagt. Ihr Job ist im Laden so wichtig, dass sie seit 1986 im Impressum steht.

Auf die Gefahr hin, die alten Wunden noch mal aufzureißen (oder uns an der dornigen Abowerbung zu beteiligen) – ein kleiner Überblick über die bedeutsamsten Fälle, in denen die »Titanic« Ärger mit gekränkten Opfern bekam:

2017: Sebastian Kurz

Besonders subtil zu sein, das hat der »Titanic« noch nie jemand vorgeworfen. Ein »Sharepic« löste in Österreich dann auch nicht nur Begeisterung aus: Es zeigt den damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz im Fadenkreuz, dazu die Zeile »Endlich möglich: Baby-Hitler töten!« Das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung bat die Berliner Staatsanwaltschaft , Ermittlungen wegen »öffentlicher Aufforderung zu Straftaten« einzuleiten. Diverse Medienrechtler wiesen schnell darauf hin, dass das Quatsch sei, und die Ermittlungen wurden dann auch eingestellt . Die »Titanic« nutzte die Zeit, um Kurz mit weiteren Hitler-Vergleichen zu überschütten, inklusive Geburtstagswünschen am 20. April.

2016: Sixt

Mit seinen Kampagnen hat der Autoverleiher selbst immer wieder Grenzen ausgetestet (2013 zum Beispiel: Gustl Mollath mit dem Fake-Zitat »Wenn hier jemand verrückt ist, dann Sixt mit seinen Preisen«).

Die »Titanic« ging wie gewohnt einen Schritt weiter: Einen Monat nach dem Terroranschlag von Nizza druckte das Magazin ein Bild vom Tat-Lkw in typischer Sixt-Optik, mit dem Slogan »Für alle, die gern Menschen bewegen. (Günstige Mietwagen, auch in Nizza: sixt.de)«. Sixt verlangte eine Unterlassungserklärung, die das Magazin auch unterschrieb . Allerdings nicht ohne Seitenhieb auf das »befreundete Satireunternehmen, das nebenbei auch Autos vermietet«.

2021: Papst Benedikt XVI.

Insgesamt achtmal ist die katholische Kirche schon gegen das deutsche Satiremagazin vorgegangen, das hier war aber der spektakulärste Fall: Gegen das Cover mit der »undichten Stelle« erwirkte der Vatikan eine einstweilige Verfügung. Kurz vor der anstehenden Gerichtsverhandlung, für die sich die »Titanic«-Belegschaft bereits diverse Soutanen zugelegt und teilweise an eine Kirche gekettet hatte, zog der Vatikan die Klage dann zurück – offenbar hatte sich auch in Rom die Erkenntnis durchgesetzt, dass man mit diesem Schwein nicht ringen sollte.

2010: Jesus

Obwohl der Vatikan sich hier nicht einmischte, brachte das Cover mit dem Priester, der den Gekreuzigten oral befriedigt, dem Magazin ganze 18 Strafanzeigen wegen »Volksverhetzung« und »Beschimpfung von Bekenntnissen« ein. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft lehnte sie mit Verweis auf die Meinungsfreiheit allerdings allesamt ab .

Intermezzo

Ist schon immer recht knackig an der Grenze, oder? Und dabei sind wir erst bei der Hälfte! Aber gut, wir beißen die Zähne zusammen und machen weiter.

2006: Kurt Beck

Eine typisch gelungene Verbindung zweier Themen, die damals die Republik beschäftigten: der Problembär Bruno, der damals den Voralpenraum unsicher machte, und der damalige SPD-Vorsitzende Kurt Beck, an dem vor allem seine eigenwillige Gesichtsbehaarung provozierte. Die »Titanic« kombinierte dessen Foto mit dem Titel »Problembär außer Rand und Band: Knallt die Bestie ab!« Beck gefiel es nicht, er erwirkte eine einstweilige Verfügung, sodass das Heft zwar noch verkauft, aber nicht mehr nachgeliefert werden durfte.

2000: Friedrich Merz

Überraschend oft bewies die »Titanic« ein feines Gespür dafür, welche Politiker in Zukunft wichtig werden könnten. So auch im Jahr 2000 bei Friedrich Merz: Die »Titanic« veröffentlichte einen langen satirischen Text  über die Laufbahn des damaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden.

Weil das aber sehr viel Bleiwüste war, entschied der damalige Chefredakteur Martin Sonneborn, dass der Artikel eine knallige Verkaufe bräuchte, und schrieb kurzerhand den völlig zusammenhangslosen Titel »Sie nannten ihn Fotzen-Fritz« drüber. Das kam so gut an, dass irgendjemand unter der Domain www.fotzenfritz.de eine Weiterleitung auf Merz’ Website  einrichtete. Merz drohte juristische Schritte an, und die Weiterleitung verschwand wieder. Nur der Name, der blieb.

1994: McDonald’s

Im Juni 1994 druckte die »Titanic« eine sehr offiziös aussehende »Pressemitteilung« von McDonald’s, in dem die Firma ein »Überraschungsangebot« ankündigte: Die »Jurassic Park«-Figuren in den Pommes-Tüten würden abgelöst von Figuren aus »einem weiteren beliebten Spielberg-Film«: »Schindlers Liste«. Statt der »Junior-Dino-Tüte« gebe es dann das »Happy Jew Menü«. Der damalige Chefredakteur Hans Zippert erklärte damals, man habe »Verkitschungstendenzen des Holocaust« aufspüren wollen. McDonald’s fand das nicht so funny und erwirkte ein Verbot der Ausgabe – mit einem Streitwert von einer halben Million Mark.

1993: Björn Engholm

Der Name des damaligen SPD-Kanzlerkandidaten ist auf ewig in der Geschichte der »Titanic« festgeschrieben. Denn Engholm ist bis heute der Einzige, der mit seiner Klage so viel Erfolg hatte, dass er dem Magazin fast das Genick brach.

Mit der Beschriftung »Sehr komisch, Herr Engholm!« hatte die »Titanic« Engholms Gesicht auf das Gesicht des toten Uwe Barschel in der Badewanne montiert. Kurz vorher war öffentlich geworden, dass Engholm über seinen Anteil an einer Medienkampagne, die seinem Erzfeind Barschel massiv geschadet hatte, gelogen hatte.

Engholm sah seine Menschenwürde »auf das Schwerste verletzt«, verklagte das Magazin und bekam schließlich 40.000 Mark zugesprochen – das damals  höchste Schmerzensgeld der deutschen Pressegeschichte. Mit Anwalts- und Gerichtskosten kostete der Witz die »Titanic« damals um die 190.000 Mark .

Zum Ende noch interessant:

Das absolute Lieblingssujet der »Titanic« war immer Helmut Kohl. 72 Cover bestritt das Magazin mit dem Pfälzer, manche davon legendär (»Wiedervereinigung ungültig: Kohl war gedopt!«). Die »Titanic« erfand für Kohl den Spitznamen »Birne«, der sich dann auch zunehmen durchsetzte. Trotzdem hat Kohl nie auch nur eine einzige Klage gegen das Magazin gefeuert – vielleicht auch weil er es einfach nie mitbekam. »Es hat uns jedenfalls viel Geld erspart«, resümierte  Ex-»Titanic«-Chef Hans Zippert.

»Titanic«-Cover aus dem Jahr 2010: Mit der Kirche war man nie zimperlich

Foto: Titanic

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