Warum der Golfstrom womöglich doch nicht kollabiert

Alle sorgen sich wegen höherer Temperaturen und Hitzewellen, doch was wäre, wenn es plötzlich kühler würde? Diese Befürchtungen äußerten Wissenschaftler in den vergangenen Jahren immer wieder. Denn die Klimakrise führt nicht nur zu mehr Extremwetter, sondern wirkt sich auch auf Meeresströmungen aus. Die sogenannte Atlantische meridionale Umwälzzirkulation (AMOC) sorgt in Nordeuropa für ein gemäßigtes Klima, könnte künftig aber schwächer ausfallen. Einige Studien gehen sogar von einem Kollaps bis zur Jahrhundertmitte aus.

Eine am Mittwoch veröffentlichte Studie auf der Basis von Modellrechnungen zeigt nun, dass die Nordatlantikströmung, zu der auch der Golfstrom gezählt wird, widerstandsfähiger sein könnte als bisher angenommen. Die Arbeit wurde im Fachjournal »Nature« veröffentlicht  und gibt zumindest teilweise Entwarnung: Das Strömungssystem könnte sich bis 2100 deutlich abschwächen, die Forschenden fanden jedoch keine Hinweise auf einen vollständigen Kollaps. Stattdessen führe der windgetriebene Aufstieg von Tiefenwasser im Südlichen Ozean dazu, dass die AMOC weiter zirkuliert.

Katastrophale Folgen für Europa – auch ohne Kollaps

Die AMOC funktioniert wie eine Art riesiges globales Förderband: Sie transportiert warmes, sehr salziges Wasser aus den Tropen Richtung nördlicher Polarkreis, wo das Wasser abkühlt und wegen seiner größeren Dichte absinkt. In der Tiefe strömt es in südlicher Richtung ab. Die Meeresströmungen transportieren Wärme in verschiedene Gebiete der Erde und tragen entscheidend dazu bei, dass das Klima in großen Teilen der nördlichen Hemisphäre relativ mild bleibt. Ohne die Meeresströmungen würde Europa abkühlen, zudem könnten über dem Atlantik Wirbelstürme zunehmen und es schwächere Monsune in Afrika und Asien geben.

Forschende sind sich einig, dass die Klimakrise die AMOC destabilisiert. Denn der Atlantik erwärmt sich und in den nördlichen Regionen schmilzt das Eis. Durch zusätzliches Süßwasser wird das Verhältnis von Temperatur und Salz im Meerwasser gestört, was wiederum die Stärke der Strömungen verringert. Umstritten ist jedoch, wie stark – und wie schnell sich das beim Wetter und Klima in Europa bemerkbar macht.

Die Autoren der aktuellen Studie simulierten eine Welt unter extremen Klimabedingungen wie einem viel höheren CO-Gehalt in der Atmosphäre und einem massiven Zustrom von Schmelzwasser, etwa aus der Arktis. Die Meeresströmungen schwächten sich unter diesen Bedingungen erwartungsgemäß ab – aber sie kollabierten nicht.

»Diese Studie argumentiert anders als viele andere Studien«, sagt Jens Terhaar von der Universität Bern, der nicht an den Modellierungen beteiligt war. »Statt sich auf die Region im Nordatlantik zu konzentrieren, in der Tiefenwasser gebildet wird, schauen sich die Autoren an, wie viel Tiefenwasser im Südlichen Ozean wieder an die Oberfläche kommt. Solange Wasser dort an die Oberfläche gelangt, muss woanders Tiefenwasser gebildet werden.« So bleibe die Strömung bestehen.

Forscher: Abschwächung von AMOC muss verhindert werden

Die neue Studie bestätigt auch die Annahmen des Sonderberichtes des Weltklimarats (IPCC)  über Klimawandel, Ozean und Kryosphäre von 2019, wonach die Nordatlantikströmung schwächer wird, je mehr die Klimakrise voranschreitet. Allerdings hält auch der IPCC einen Zusammenbruch bis 2100 für eher unwahrscheinlich. Allerdings könnte sich das ändern, sollte das Eisschild Grönlands schneller schmelzen als erwartet und damit viel größere Mengen Süßwasser in den Atlantik gelangen.

»Die Studie hat gezeigt, dass die AMOC nicht komplett verschwinden kann«, so Forscher Terhaar. »Jedoch ist eine extreme Abschwächung möglich und ob es dann am Ende ein Kollaps oder eine sehr starke Abschwächung ist, macht für die Auswirkungen dieser Veränderung am Ende kaum einen Unterschied.« Beides sei mit extremen Folgen verbunden und die Menschheit sollte alles unternehmen, um dies zu vermeiden, so der Wissenschaftler.

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