Besser regieren dank Putin
Wladimir Putin verfolgt ein zentrales Ziel: die Nato und die Europäische Union zu schwächen. Diesem Ziel dienen Russlands Propagandaattacken, die sogenannten hybriden Angriffe auf Ziele in ganz Europa , die Unterstützung radikaler Parteien in vielen europäischen Ländern und so weiter.
Die einfachste Frage, um zu entscheiden, ob eine politische Entscheidung oder Weichenstellung gut für Deutschland, gut für Europa ist, lautet deshalb sehr oft schlicht: Nützt es Putin oder schadet es ihm?
Sehr konkrete Beispiele für die Nützlichkeit dieser Faustregel liegen längst vor. Dass beispielsweise der Brexit sehr im Interesse Russlands lag und es diverse sehr verdächtige Verflechtungen der »Leave«-Kampagne mit russischen Akteuren gab , ist hervorragend belegt. Viele, die damals für »Leave« gestimmt haben, bereuen es längst massiv: Nur noch 30 Prozent der Briten finden die Entscheidung, die EU zu verlassen, auch heute noch richtig, und der Anteil schrumpft immer weiter.
Putin sagt ganz offen, was er will – mit Propaganda
Die strategischen Ziele Russlands konnte man schon vergangenen September in vom FBI öffentlich gemachten russischen Dokumenten nachlesen: »Echte Konflikte zu beeinflussen und künstlich neue Konfliktsituationen zu schaffen«, mit einer »breiten Palette von Informationswerkzeugen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung«. Es gehe immer darum, »Konfliktsituationen mithilfe verfügbarer Werkzeuge (…) zu eskalieren, um die gesellschaftliche Situation zu destabilisieren«.
Umgekehrt zeigt das, was Russland so sabotiert und attackiert, aber auch das, was es mit seinen Propagandakampagnen unterstützt, was Putin will. In Großbritannien war es der Brexit, in den USA war es die erste und dann die erneute Präsidentschaft von Donald Trump. Für Trump warben Putins Propagandisten unter anderem quer durch die sozialen Medien, oft mit nachgerade bizarren Tarnidentitäten.
In Deutschland sind es die Stärkung der AfD und, mit begrenztem Erfolg, des Bündnisses Sahra Wagenknecht – und die Ablehnung gegen die Grünen . All das ist dokumentiert, einerseits anhand der Propagandainhalte, die Russlands riesige Bot- und Trollnetze permanent verbreiten – und andererseits anhand einer Vielzahl mittlerweile öffentlicher Dokumente , die Aufschluss über Russlands Strategie geben.
Putin braucht Geld. Und das wird gerade knapp
Ein zerstrittenes, gespaltenes Deutschland und ein zerstrittenes, gespaltenes Europa sind aber nicht das Einzige, was Putin braucht, um seine Großmachtträume möglichst ungehindert verfolgen zu können: Er braucht auch viel Geld.
Warum bekämpft Russland die Grünen im Besonderen, mal mit Propagandaposts, mal mit Bauschaum in Auspuffrohren? Weil sie von Anfang an gegen Nord Stream 2 waren – und weil Klimapolitik, die ihren Namen verdient, fossile Brennstoffe, und damit Russlands Geschäftsmodell, nach und nach überflüssig macht.
Russland hat außer einer Rüstungsindustrie keine nennenswerte Exportindustrie. Es verkauft, gelenkt und abgeschöpft von Putins alten KGB-Genossen, vor allem Öl und Gas.
Donald Trump hat mit seiner erratischen Zollpolitik versehentlich dafür gesorgt, dass es für Russland gerade eng wird: Russlands Regierungssprecher und Chefpropagandist Dmitrij Peskow erklärte diese Woche , die Märkte seien gerade »sehr turbulent, angespannt und emotional überlastet«, man bemühe sich, »die Effekte dieses internationalen ökonomischen Sturms zu minimieren«. So etwas bekennt der Mann sonst eher selten.
Der Ölpreis ist für Russland zu niedrig
Der Hintergrund ist dieser: Russland hat für seinen Jahreshaushalt einen bestimmten Mindestpreis für Öl fest eingeplant, und der liegt bei etwa 70 Dollar pro Barrel . Ist Öl am Weltmarkt billiger, dann fehlt Wladimir Putin das Geld für den Krieg.
Nach Trumps Zollankündigungen vergangene Woche fiel der Preis für ein Barrel Brent Crude vorübergehend auf unter 60 Dollar, wirklich erholt hat er sich seitdem nicht. Russlands Zentralbank prognostizierte diese Woche einen mittleren Ölpreis von 65 US-Dollar für dieses und 60 US-Dollar für das kommende Jahr. Bleibt es bei der Eskalation des Handelskonflikts mit China, wird auch der Ölpreis weiter unter Druck bleiben, denn China ist der größte Erdölimporteur der Welt.
Doch Chinas Regierung arbeitet mit dem extrem schnellen Ausbau von Elektrifizierung, insbesondere im Verkehr, und erneuerbaren Energien hart daran, sich aus der Abhängigkeit vom Öl zu befreien. Im Jahr 2024 importierte das Land erstmals (von den Pandemiejahren abgesehen) weniger Öl als im Vorjahr . Es scheint den Scheitelpunkt seines Bedarfs schon überschritten zu haben. Für Wladimir Putin ist das schlecht, denn Russland verkauft sein Öl derzeit aufgrund der Sanktionen vor allem nach Indien und China.
Studie sieht »sicherheitspolitische Dividende«
Der aktuelle russische Haushalt basiert zu knapp einem Drittel auf Öl- und Gasexporten . Und etwa ein Drittel dieses Haushalts ist offenbar für Militär und Rüstung eingeplant . Die Rüstungsausgaben wachsen seit 2022 jedes Jahr gewaltig. Wenn die fossilen Erlöse schrumpfen, wird es für den Kreml immer schwieriger, den Krieg gegen die Ukraine zu finanzieren oder gar Europa zu bedrohen.
Da kommt eine diese Woche erschienene Studie des Kiel-Instituts für Weltwirtschaft zur rechten Zeit: »Durch die Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern kann die EU-Klimapolitik die Finanzkraft Russlands deutlich verringern und damit dessen militärische Fähigkeiten zur Fortführung der Aggression gegen die Ukraine und darüber hinaus einschränken«, steht in der Zusammenfassung. Man kann den Ölpreis ja auch anders drücken als mit einem globalen Handelskonflikt.
Eine »ehrgeizige EU-Klimapolitik« solle als »wichtiger Pfeiler der europäischen Sicherheitsarchitektur« betrachtet werden, so die Autoren. Ein Euro weniger für Öl führe zu einer »sicherheitspolitischen Dividende« von 37 Cent, weil weniger in Verteidigung investiert werden müsse.
Moskau und die Terror-Finanziers
Die Autoren plädieren deshalb für einen europäischen CO₂-Preis von mindestens 60 € pro Tonne. Und sie erklären auch, dass ihre Schätzung noch konservativ sei, denn auch andere autokratisch regierte Staaten wie Iran profitierten ja vom Verkauf von Öl und Gas. Man könnte hinzufügen: Auch andere Finanziers von Terrororganisationen leben primär von Öl und Gas.
Sieht man sich den deutschen Koalitionsvertrag aus dieser Perspektive an, steht darin vieles, was Wladimir Putin nicht gefallen dürfte: Die erneuerbaren Energien sollen weiter zügig ausgebaut werden, ergänzt um netzdienliche Stromspeicher, es soll eine Flexibilisierung des Strommarktes geben, Smartmeter, bidirektionales Laden für Elektroautos, außerdem E-Auto-Förderung und Ausbau der Ladeinfrastruktur. Lauter Entwicklungen also, die unsere Abhängigkeit von Öl und Gas verringern und damit die Weltmarktpreise drücken helfen könnten. Man könnte auch sagen: Schwarz-Rot plant jetzt – wie zu erwarten – eigentlich grüne Energiepolitik.
Unglücklicherweise stehen im Koalitionsvertrag aber auch Dinge, die Putin freuen dürften: Zuallererst neue Gaskraftwerke mit einer Gesamtleistung von 20 Gigawatt. Die sollen »technologieoffen« sein, was immer das bedeuten soll. Davon, dass sie unbedingt in der Lage sein müssen, künftig auch Wasserstoff zu verbrennen, steht im Text leider nichts. Das ist also ein Konjunkturprogramm für alle, die Gas verkaufen wollen. Gut für Putin also.
In die gleiche Kategorie fällt auch die Formulierung, beim »Hochlauf« der »Wasserstoffwirtschaft« müssten »alle Farben« genutzt werden. Das klingt harmlos, aber »alle Farben« heißt: Wir planen auch mit dem sogenannten »grauen« Wasserstoff, und der wird aus Erdgas hergestellt. Das ist natürlich sehr ineffizient und setzt CO₂ frei. Außerdem steht auf der Farbskala noch der »blaue« Wasserstoff, bei dessen Herstellung auf Basis fossiler Brennstoffe CO₂ abgeschieden und gespeichert werden soll. Das aber fällt derzeit vorrangig in die Kategorie »Luftschloss«. »Carbon Capture and Storage« (CCS) ist derzeit aufwendig und teuer. Besser wäre es, den Wasserstoff gleich »grün« zu produzieren, also aus erneuerbarem Strom. Auch die geplanten Gaskraftwerke, die ja nur vorübergehend laufen sollen, mit CCS klimaneutral zu machen, scheint derzeit vor allem: teuer und ineffizient.
Im Vertrag steht außerdem, die neue Koalition wolle »das Heizungsgesetz abschaffen«. Was das genau bedeuten soll, ist unklar. Klar ist: Wenn die Koalition womöglich doch ein Comeback der Öl- und Gasheizung anstreben sollte, wäre Putin hocherfreut.
Eine auch nur teilweise Rückkehr zu Öl und Gas wäre das größte Geschenk, das Deutschland dem Kreml machen könnte.