Ökonomen: Milliardenpläne von Union und SPD sind "Gamechanger"
Kurz nach der Wahl ändert die Union überraschenderweise ihre Meinung zum Thema Schulden und will Hunderte Milliarden für Verteidigung und Infrastruktur ausgeben. Mehrere Ökonomen sehen die Investitionen wohlwollend. Sie könnten die Schwächephase der deutschen Wirtschaft beenden, heißt es.
Bei den Sondierungsgesprächen zur Bildung einer neuen Regierung haben sich Union und SPD auf ein milliardenschweres Finanzierungspaket verständigt. Alle Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen von den Beschränkungen der Schuldenbremse ausgenommen werden. Zudem solle ein neues Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Infrastrukturausgaben für die Dauer von zehn Jahren geschaffen werden.
Carsten Brzeski, ING-Chefvolkswirt, äußerte sich positiv: "Alles in allem befindet sich Europa inmitten eines historischen Wandels. Die Entwicklungen der letzten Tage haben die wahrscheinlich nächste deutsche Regierung zu einem historischen Schritt veranlasst, indem sie ein Steuerpaket ankündigte, das endlich den Beginn besserer Jahre für die Wirtschaft markieren könnte."
Auch Jens Südekum, Professor für Internationale Wirtschaft, kann den hohen Milliardeninvestitionen viel Positives abgewinnen: "Die Einigung der Sondierer ist ein Gamechanger, ein wuchtiges und gutes Paket. Die Freistellung der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse erlaubt einen dauerhaften Aufbau der militärischen Fähigkeiten. Investitionen in die Infrastruktur stehen über das große Sondervermögen gleichwertig daneben."
Das Geld müsse auch tatsächlich auf die Straße kommen und in die richtigen Projekte fließen, sagte Südekum. "Im Infrastrukturbereich muss das Sondervermögen durch eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren begleitet werden. Insgesamt geht es darum, ein glaubwürdiges Signal in die Privatwirtschaft zu senden, dass der Staat jetzt Ernst macht mit der Investitionsoffensive. Nur dann werden Bau- und Handwerksbetriebe ihre Kapazitäten aufstocken."
Südekum unterbreitete gemeinsam mit den Ökonomen Michael Hüther, Moritz Schularick und Clemens Fuest bereits vor mehreren Tagen während der Sondierungen ein ähnliches Konzept. "Es entspricht nicht zu 100 Prozent unserem Vorschlag, aber zu rund 90 Prozent", schrieb Südekum jetzt im Anschluss an die Pläne von Union und SPD.
Von einem "Gamechanger" sprach auch Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor am IMK-Institut. "Wenn das so gelingt, dann dürfte die Stagnation der deutschen Wirtschaft jetzt schnell überwunden sein. Nicht nur, weil jetzt dringend gebrauchte Investitionen kommen, sondern weil sich auch massiv die Stimmung drehen dürfte. Deutschland ist wieder wirtschaftlich und militärisch handlungsfähig."
Es sei der Union hoch anzurechnen, dass sie erkannt habe, wie massiv die Schuldenbremse der deutschen Wirtschaft geschadet habe, und wie pragmatisch sie jetzt Lösungen suche, sagte Dullien weiter.