Strom soll billiger werden – was das für Sie bedeutet

Union und SPD wollen ihre Wahlversprechen einlösen und die Strompreise senken. In ihrem gemeinsamen Sondierungspapier, das als Basis für Koalitionsverhandlungen dienen soll, haben sie festgehalten, sowohl die Stromsteuer nahezu abzuschaffen als auch die sogenannten Übertragungsnetzentgelte zu halbieren. Insgesamt soll der Strom für private Verbraucher so um 5 Cent pro Kilowattstunde (kWh) billiger werden. Zusammengerechnet ergäbe sich für einen Durchschnittshaushalt damit eine Ersparnis von rund 200 Euro im Jahr.

Allerdings gibt es eine Einschränkung: Auch wenn Union und SPD ihre jetzt vereinbarten Pläne umsetzen – von allein kommt die Ersparnis bei Ihnen nicht an.

Doch zunächst zu den beiden Teilen der möglichen Ersparnis:

Erstens: Absenkung der Stromsteuer. Die liegt im Augenblick bei 2,05 Cent pro Kilowattstunde netto und soll auf 0,1 Cent gesenkt werden, das ist der Mindeststeuersatz für Strom in der EU. Brutto, also mit der ebenfalls eingesparten Mehrwertsteuer, sparen Sie als Stromkunde 2,32 Cent pro kWh oder bei 3000 Kilowattstunden Verbrauch 70 Euro im Jahr. Als Kunde müssen Sie dafür auch gar nichts mehr tun. Ihre Stromrechnung sinkt automatisch. Viele Unternehmen können sich seit dem vergangenen Jahr schon weitgehend von der Stromsteuer befreien lassen, allerdings bisher nur auf Antrag .

Zweitens: Netzentgelte sollen günstiger werden. Bisher zahlen Sie rund ein Drittel Ihres Strompreises nur für die Nutzung des Stromnetzes. Da gibt es einmal das kleine Verteilnetz bei Ihnen im Ort. Und dazu die großen Stromautobahnen, die den Strom von da, wo er erzeugt wird, dorthin transportieren, wo er gerade benötigt wird.

Weil Strom sauberer werden soll und der Strombedarf dank E-Mobilität und Wärmepumpen weiter steigen wird, muss das Stromnetz ausgebaut werden. Bisher haben dafür vor allem die Menschen in den Regionen bezahlt, in denen schon viele Windräder und Solaranlagen stehen. Denn genau dort muss das Netz verstärkt werden. Diese Ungerechtigkeit hat sich vor Kurzem geändert: Durch eine Reform der alten Ampelregierung werden die Netzentgelte seit diesem Jahr deutlich fairer auf die einzelnen Bundesländer verteilt .

Nun wollen Union und SPD die Netzentgelte insgesamt vergünstigen. Dazu soll der Staat einen Teil der Kosten für die großen Stromautobahnen übernehmen, also Sie als Steuerzahler. Solche Entlastungspläne für die Stromkunden gab es in der Vergangenheit schon einmal. Ende 2023 strich die Ampelkoalition bereits angekündigte 5,5 Milliarden Euro Stromersparnis für Verbraucher für das Jahr 2024 aber komplett, weil ihr nach dem Verfassungsgerichtsurteil zum Haushalt das Geld ausging.

Die neue Regierung könnte die Netzentgelte halbieren. Für Sie als Stromkunde sollten dabei mindestens noch mal 3 Cent Rabatt pro Kilowattstunde rauskommen, zusätzlich zur Stromsteuerentlastung. Der nächstmögliche Zeitpunkt für die Entlastung wäre der Jahreswechsel 2025/26. Denn da werden die Netzentgelte für das ganze nächste Jahr festgelegt.

Müssen Sie fürs Sparen beim Strom etwas tun?

Ja. Sie müssen ab jetzt auf den Strompreis bei Ihrem Anbieter achten und am besten keine teureren, langfristigen Stromverträge für zwei Jahre mehr abschließen. Wenn die Netzentgelte tatsächlich sinken, müssen die Stromanbieter das nämlich nicht automatisch an die Kunden weitergeben . Denn die Preisgarantie in vielen Stromverträgen schließt die Netzentgelte ein – im Guten wie im Schlechten. Erhöht sich deren Preis, sind Sie als Kunde erst mal davor geschützt. Sinkt der Preis, kommt aber auch die Preissenkung nicht gleich bei Ihnen an. Selbst wenn Sie in Ihrem Vertrag keine Preisgarantie mehr haben, muss der Anbieter eine solche Entlastung nicht automatisch an Sie weitergeben.

So könnten die Anbieter den Preis für die Kunden auch nach einer Absenkung der Netzentgelte hochhalten, das ersparte Geld in die eigenen Taschen stecken. In der Energiekrise 2022 konnte man schön beobachten, dass bei Marktumbrüchen manche Anbieter fair mit ihren Kunden umgingen, aber ganz sicher nicht alle.

Wie sieht Ihr Vertragsszenario aus?

  • Haben Sie aktuell einen günstigen Jahresvertrag, lassen Sie ihn einfach weiterlaufen. Nach Ablauf der Mindestvertragslaufzeit haben Sie eine monatliche Kündigungsfrist. Kommen etwa zum Jahreswechsel günstigere Netzentgelte, können Sie schnell wechseln , falls Ihr aktueller Anbieter Ihnen den Rabatt nicht einfach weitergibt.

  • Brauchen Sie gerade einen neuen Vertrag, schließen Sie schnell noch einen Jahresvertrag zu guten Konditionen ab, der möglichst zeitnah beginnt . Dann haben Sie bei einer kommenden Netzentgeltsenkung immerhin schon im Frühjahr 2026 die nächste Möglichkeit, einen günstigen neuen Vertrag zu suchen.

  • Haben Sie unglücklicherweise gerade erst einen 24-Monats-Stromvertrag abgeschlossen, haben Sie Pech gehabt, wenn die Netzentgelte tatsächlich billiger werden. Konzentrieren Sie sich dann erst mal aufs Stromsparen .

  • Beabsichtigen Sie, sich eine Wärmepumpe  oder ein E-Auto  anzuschaffen, können Sie sich hingegen freuen. Der Strom wird in naher Zukunft voraussichtlich deutlich preiswerter.

Können Sie beim Gas mit der neuen Regierung auch sparen?

Apropos Heizung: Wie sieht denn das Ganze beim Gas aus? Nicht so gut. Die Absenkungen bei der Mehrwertsteuer wegen des Ukrainekriegs sind Anfang 2024 zurückgenommen worden. Seitdem müssen Sie wieder 19 statt 7 Prozent Mehrwertsteuer für Ihr Gas zahlen . Die Gaspreise sind in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen. Der Winter war kälter als zuletzt 2022 und 2023, deswegen und wegen der hohen Preise sind die Gasspeicher laut der Bundesnetzagentur aktuell nur noch zu rund 30 Prozent gefüllt .

Bei den Netzentgelten zeigen die Kosten beim Gas ebenfalls nach oben. Die 600.000 Kilometer Gasleitungen in Deutschland sind teuer. Hinzu kommt hier ein anderes Phänomen: Der Einsatz von Gas zum Beheizen von Wohnungen soll in den kommenden Jahren und Jahrzehnten deutlich zurückgehen. Die Unterhaltskosten für die Netze bleiben aber eher gleich und verteilen sich auf immer weniger Kunden. Deren individuelle Kosten könnten sich deshalb vervielfachen .

Die Stadt Mannheim hat zum Beispiel schon angekündigt, ihr Gasnetz bis 2035 ganz abzuschalten und komplett auf Fernwärme umzustellen . Bis 2045 müssen alle Gasheizungen in Deutschland abgestellt oder auf Wasserstoff umgestellt sein .

Mit anderen Worten: Die Kosten für die Netzentgelte werden sich als Preistreiber im Gasmarkt etablieren – hinzu kommt eine steigende CO₂-Abgabe . Da wird die jetzt noch günstige Gasheizung schnell zur Kostenfalle. Bauen Sie also jetzt lieber keine neue Gasheizung mehr ein. Und wenn Sie in den kommenden Jahren die Möglichkeit haben, vom Gas wegzuwechseln, ist auch aus diesen Gründen der Wechsel, zum Beispiel zu einer Wärmepumpe, zu empfehlen.

Die neue Koalition hat nur ein paar Wochen, um die Energiefragen final zu lösen. Sie haben bis zur nächsten Heizsaison mindestens ein halbes Jahr, um für sich die passende Lösung oder den passenden Anbieter zu finden . Warten Sie nicht zu lange.
Viel Erfolg.

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