Kleinen Fabriken in China droht durch Zollstreit das Aus
Die drastische Erhöhung der US-Zölle auf 125 Prozent trifft in China besonders kleine Fabriken im Südosten hart. Um eine Pleitewelle zu verhindern, bemühen sich etliche Manager um neue Abnehmer. Doch das dürfte sich als schwierig erweisen. Das Handelsministerium muss eingreifen.
Während US-Präsident Donald Trump im internationalen Handelskonflikt zurückrudert, verfolgt er mit Blick auf China einen konsequenteren Kurs. Als Reaktion auf die Ankündigung von Gegenzöllen in Höhe von 50 auf insgesamt 84 Prozent erhöhte Trump den Zollsatz auf Einfuhren aus China mit sofortiger Wirkung noch einmal - von 104 auf 125 Prozent.
Das wird laut einem Bericht der "New York Times" vor allem den Eckpfeiler der chinesischen Wirtschaft treffen - Tausende kleine Fabriken im Handelszentrum Guangzhou im Südosten des Landes. Sie sind zwar in der Lage, fast jedes Produkt zu niedrigen Kosten zu liefern und beschäftigen Millionen von Wanderarbeitern aus ganz China. Allerdings: "Der Handelskrieg hat enorme Auswirkungen, denn wenn man nicht exportieren kann, gibt es weniger Aufträge für Kleidung, und es gibt nichts zu tun", zitiert das Blatt Ling Meilan, Mitinhaberin einer Hemdenfabrik.
Ihr Unternehmen konzentriere sich zwar auf den heimischen Markt in China. Einige benachbarte Fabriken, die hauptsächlich in die USA exportierten, hätten ihre Betriebe allerdings bereits vorübergehend eingestellt. Ihre Besitzer warten laut dem Bericht auf mehr Klarheit über die Zölle. Viele Manager anderer Fabriken bemühten sich inzwischen darum, Abnehmer in anderen Ländern zu finden oder neue Kunden in China auszumachen.
Handelsministerium will Exporteuren helfen
Doch das dürfte sich als schwierig erweisen, denn China wird bereits mit einem enormen Überangebot überschwemmt. In den vergangenen Jahren haben sich zudem ruinös niedrige Preise für die Hersteller durchgesetzt. Hinzu kommt: Nach dem Zusammenbruch des Immobilienmarkts halten die chinesischen Verbraucher ihr Geld lieber zusammen.
Das chinesische Handelsministerium will seinen Exporteuren deswegen bei der Ausweitung des Inlandsabsatzes unter die Arme greifen. Die Behörde erklärte, es werde "Außenhandelsunternehmen, die mit Exporthindernissen konfrontiert sind, bei der Erkundung des Inlandsmarktes unterstützen". Die Regierung werde auch ihr Trade-in-Programm für Konsumgüter, darunter Autos und Haushaltsgeräte, voll ausschöpfen, um die Binnennachfrage anzukurbeln, sagte He Yongqian, eine Sprecherin des Ministeriums bei einem wöchentlichen Briefing.
Zugleich wirbt China bei anderen Handelspartnern um bessere Beziehungen. Wie von chinesischer Seite bekannt wurde, hatten EU-Handelskommissar Maros Sefcovic und Handelsminister Wang Wentao am Dienstag telefonisch über mehr wirtschaftlichen Austausch beider Seiten gesprochen.
Abschlagszahlungen reichen nicht
Besonders zu schaffen machen kleinen Fabriken Stornierungen ohne Entschädigungen in letzter Minute von Importeuren, die Trumps Zölle nicht zahlen wollen. Das hat dazu geführt, dass einige Fabriken auf beträchtlichen Lagerbeständen von Kleidungsstücken bis hin zu Handtaschen sitzen geblieben sind, erzählt ein weiterer Fabrikmanager der "New York Times". Die 50-prozentigen Abschlagszahlungen, die sie erhalten haben, würden nicht annähernd ausreichen, um ihre Kosten zu decken.
Doch nicht alle Branchen sind gleichermaßen von den US-Zöllen betroffen: Elon Li, der Besitzer einer Fabrik, die preisgünstige Kochgeräte für Restaurants herstellt, erzählt der "New York Times", er mache sich keine Sorgen wegen der jüngsten US-Zölle. Schließlich seien alle seine Konkurrenten auch in der Region Guangzhou ansässig. Vergleichbare Hersteller aus Japan, Südkorea oder Europa würden für die gleichen Produkte bis zu zehnmal so viel verlangen wie er.
Stahl, sein größter Kostenfaktor, sei in China viel billiger als anderswo. Der Zusammenbruch des chinesischen Immobilienmarkts habe das Baugewerbe in China dezimiert und ein Überangebot an Stahl hinterlassen. Fabriken in Südostasien oder Afrika seien keine Konkurrenz, da ihnen kostengünstige elektrische Bauteile fehlten. Der Unternehmer hat seinen Namen laut dem Bericht 2020 in Elon geändert, nachdem er ein Buch über den Tech-Milliardär gelesen hat.
"Eine klare Kriegserklärung an China"
Mit seiner aggressiven Zollpolitik verbreitet Trump an den Märkten weltweit große Unsicherheit. Der US-Präsident will mit Zöllen angebliche Handelsungleichgewichte korrigieren und Produktion in die USA verlagern. Die Reaktion auf die jüngste Erhöhung aus Peking steht noch aus.
Für den Vermögensverwalter Markus Schön ist Trumps Kehrtwende in der Zollpolitik vor allem eins: "Eine klare Kriegserklärung an China." Positiv formuliert wolle Trump die westlichen Werte verteidigen, indem er China wirtschaftlich schwächt. "Wenn das autokratisch regierte Land in zehn bis zwölf Jahren zur größten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen sein wird, bestimmt es nicht nur die Handelsregeln, sondern auch, wer welche Rohstoffe bekommt."
Negativ formuliert, pokere der US-Präsident mit noch höherem Einsatz. China könnte alle US-Staatsanleihen auf den Markt schmeißen und den US-Dollar schwächen. Dann muss die US-Notenbank die Zinsen senken und macht den Weg frei für noch mehr Schulden in den USA. "Schließlich weiß man von dem Unternehmer Trump: Er liebt Schulden, verabscheut Zinsen und hasst die Rückzahlung."