Schwere Vorwürfe gegen Sparkassen in Cum-Cum-Skandal
Cum-Cum-Deals kosteten den Staat gut 28 Milliarden Euro - aufgearbeitet sind sie allerdings kaum. Die illegalen Steuertricks sollen vor allem unter Banken verbreitet gewesen sein. Die ehemalige Chefermittlerin im Cum-Ex-Skandal macht den Sparkassen besonders große Vorwürfe.
Im Steuerskandal um Cum-Cum-Aktiengeschäfte greift die frühere Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker Sparkassen und Politik an. Staatliche Behörden hinkten bei der Aufklärung der Deals hinterher, die den Fiskus geschätzt mindestens 28 Milliarden Euro gekostet haben, kritisierte sie in einem neuen Report von Finanzwende Recherche, einer gemeinnützigen Tochtergesellschaft der Bürgerbewegung Finanzwende.
"Unsere Recherchen zeigen, dass es bis heute keinen Überblick über das Ausmaß der Cum-Cum-Schäden und die involvierten Akteure gibt", schreibt Brorhilker, die einst führende Ermittlerin im Cum-Ex-Skandal war und heute Leiterin Finanzkriminalität bei Finanzwende Recherche ist. Bei der Aufklärung der Cum-Cum-Deals, die artverwandt mit Cum-Ex-Geschäften sind, existiere nur ein "Flickenteppich von Informationen".
Cum-Cum-Geschäfte gelten als großer Bruder der Cum-Ex-Deals, mit denen Banken den Fiskus geschätzt um einen zweistelligen Milliardenbetrag prellten. Während es bei Cum-Ex um die Erstattung gar nicht gezahlter Steuern ging, generierten Banken bei Cum-Cum-Deals Steuervorteile für ausländische Inhaber deutscher Aktien. Ziel war, das deutsche Steuerrecht zu umgehen: Aktien wurden kurz vor dem Dividendenstichtag zeitweise an inländische Banken oder Fonds übertragen, die sich - anders als ausländische Anleger - die fällige Kapitalertragsteuer erstatten lassen konnten. Das Geld teilten die Beteiligten auf.
"Weite Verbreitung auch bei Sparkassen"
Besonders fragwürdig sei die Rolle der Sparkassen, kritisiert Brorhilker. Der Bericht zeige, dass auch Sparkassen an Cum-Cum-Geschäften zulasten öffentlicher Kassen beteiligt gewesen seien - "trotz ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Gemeinwohlorientierung". Finanzwende Recherche hat dem Report zufolge sämtliche regionalen Sparkassenverbände angeschrieben. Zwei davon - der Ostdeutsche Sparkassenverband und der Sparkassenverband Baden-Württemberg - räumten demnach Cum-Cum-Gestaltungen von Sparkassen ein, sehen aber eine unklare Rechtslage.
Die genaue Zahl der bei Cum-Cum-Deals involvierten Sparkassen bleibe unklar, betonte Finanzwende Recherche. "Bisherige Medienberichte lassen allerdings auf eine weite Verbreitung dieser Geschäfte auch bei Sparkassen sowie auf ungewöhnlich hohe Steuerschäden schließen."
Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) wehrt sich gegen die Vorwürfe. "Nach unserer Kenntnis haben einige wenige Sparkassen, die mit dieser Thematik vor Jahren befasst waren, dies in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen Finanzbehörden abgearbeitet", teilte ein Sprecher mit. Die Sparkassen unterstützten alle effektiven Maßnahmen zur Sicherstellung des staatlichen Steueranspruchs. "Rechtsfragen müssen aber durch Gerichte beurteilt werden." Eine "einheitliche höchstrichterliche Rechtsprechung" zu Cum-Cum gebe es bisher nicht.
Erste Anklage gegen fünf Bänker
Finanzwende Recherche sieht das anders: Ein Urteil des Bundesfinanzhofs von 2015 sei eindeutig. Er habe entschieden, dass Cum-Cum-Geschäfte in ihrer typischen Ausprägung illegal seien, zudem gebe es weitere Urteile von Finanzgerichten. So entschied Anfang 2020 das Finanzgericht Hessen, dass es sich bei Cum-Cum um eine missbräuchliche Steuergestaltung handelt.
Cum-Cum-Deals waren weitverbreitet unter Banken - nicht nur bei Sparkassen -, sind aber kaum aufgearbeitet. Nach einer Umfrage der Finanzaufsicht Bafin haben 54 Banken eingeräumt, an Cum-Cum-Deals beteiligt gewesen zu sein. Die Bafin schätzt die Belastungen durch Rückforderungen aus den Geschäften auf gut 4,6 Milliarden Euro.
Während im Cum-Ex-Skandal einige Täter zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden, steht bei Cum-Cum der erste Strafprozess noch aus. Erst am Dienstag wurde bekannt, dass erstmals eine Anklage gegen fünf Banker wegen Cum-Cum-Deals vom Oberlandesgericht Frankfurt zugelassen wurde.