Der WM-Führende versteht sein Auto nicht einmal

Oscar Piastri gewinnt bislang zwei von vier Rennen in dieser Formel-1-Saison. Auch in Bahrain unterstreicht McLaren seine Vorherrschaft. Denn auch Lando Norris fährt aufs Podest. Dabei kommt der mit seinem Auto noch gar nicht zurecht. Das ist eine Warnung an die Konkurrenz.

"Es einfach so, dass etwas nicht passt, etwas nicht klickt. Und deshalb fühle ich mich einfach nicht wohl, wenn ich im Auto sitze." Lando Norris klingt einigermaßen konsterniert, beim Formel-1-Fahrer lief beim Rennen in Bahrain nicht allzu viel zusammen. Und dennoch: Der Brite schaffte es als Dritter aufs Podium, hatte bis zum Schluss die Hoffnung, noch seinen Landsmann George Russell im Mercedes von Platz zwei zu verdrängen.

Noch dazu: Norris ist der Führende der WM-Wertung. Drei Punkte Vorsprung hat er auf seinen McLaren-Teamkollegen Oscar Piastri. Der Australier gewann in Bahrain - und sicherte sich nach dem Triumph beim Großen Preis von China schon den zweiten Sieg der Saison.

Piastri ist der Mann der Stunde. "Ich bin sehr glücklich mit diesem Ergebnis, es war ein unglaubliches Wochenende. Es ging schon im Qualifying los, jetzt haben wir mit viel Stil den Job zu Ende gebracht", sagte er nach seinem Start-Ziel-Sieg. Lob kommt auch von den Experten: "Er kann im entscheidenden Moment das Potenzial des Autos perfekt umsetzen", sagt Ex-Rennfahrer Christian Danner. Der RTL-Experte bescheinigt Piastri, "abgebrühter, cooler" zu sein und "weniger Fehler zu machen" als Norris.

"Lando hat ein ziemlich miserables Wochenende hingelegt. Er ist im Qualifying und im Training nie richtig in die Strümpfe gekommen und auch im Rennen war das sehr unrund. Da hat er viele Fehler und viele Kleinigkeiten dringehabt, die nicht so gut waren", so Danner weiter. "Und das hat Piastri gnadenlos ausgenutzt. Der McLaren ist nach wie vor gut genug, um zu gewinnen."

"Auto ist offensichtlich mega"

Auch Norris selbst sucht die Schuld bei sich und nicht beim Boliden: "Das Auto ist offensichtlich mega, wie Oscar gezeigt hat. Aber ja, heute waren einfach zu viele Fehler dabei." Erst stellte er sich zu weit hinten in der Startaufstellung auf, dann korrigierte er zu weit nach vorn - und kassierte eine Fünf-Sekunden-Strafe, weil er außerhalb seiner Startbox losgefahren war.

Das hatte Folgen: Norris war früh in der Defensive, musste früher einen Stopp einlegen als geplant und Fehler reihten sich an Fehler: "Ich hatte die Strafe. Ich musste mehr Druck machen, um fünf Sekunden aufzuholen. Ich habe es fast geschafft", so Norris. "Aber dann bin ich auf allen Reifen, viel heißeren Reifen, gefahren, und habe dafür wieder den Preis bezahlt. Jedes Mal, wenn ich etwas gut gemacht habe, habe ich sozusagen zwei Dinge schlecht gemacht." Dann lieferte er sich auf der Strecke eine Reihe von ruppigen Rad-an-Rad-Kämpfen mit Charles Leclerc und Lewis Hamilton und schließlich scheiterte er an Russell. Auf die Frage, was er aus dem Rennen mitnehmen könne, sagte er: "Dass ich ins Ziel gekommen bin, wahrscheinlich."

Sein Teamkollege Piastri hat das viel lockerer geschafft. Und das, obwohl sein Auto eine Reparatur benötigte. Denn der Australier fuhr zwar brillant, musste aber aufs Trinken verzichten. Das Team erinnerte ihn sogar per Funk daran, er aber antwortete: "Würde ich ja, wenn die Trinkflasche funktionieren würde." Nach dem Rennen sagte er: "Ich weiß nicht, was passiert ist. In der Einführungsrunde hat sie noch funktioniert, und als wir sie fürs Rennen angeschlossen haben, ging sie auch noch ein bisschen, aber ich musste das Wasser schon ziemlich kräftig ansaugen. Und sobald das Rennen richtig lief, kam dann gar nichts mehr durch den Strohhalm."

Im saudi-arabischen Dschidda sollte sich das nicht wiederholen. Dort herrschen aktuell Temperaturen weit jenseits der 30 Grad Celsius - auch in der Nacht dauert es, bis es sich abkühlt. "Wenn das nächste Woche passiert wäre, wäre das ein deutlich größeres Drama gewesen - aber wir sorgen dafür, dass es bis dahin behoben ist", sagte daher auch Piastri.

Wählt McLaren Piastri als WM-Kämpfer aus?

Bis zum kommenden Wochenende ist nicht viel Zeit für Reparatur und für Norris, um sich mit dem Auto anzufreunden. Dann geht es in Saudi-Arabien zur Sache. Doch es scheint nicht so, als wüsste er, wo er anfangen soll. "Ich versuche herauszufinden, was sich vom letzten Jahr zu diesem Jahr geändert hat. Liegt es an mir? Liegt es am Auto?"

So viel Hadern, so viele Fehler und trotzdem Platz drei. Dass es für Norris reichte, von Platz sechs aus - Zeitstrafe inklusive - aufs Podest vorzufahren, sollte eine Warnung für die Konkurrenz sein. Wenn Teamkollege Piastri ihm jetzt auch noch einen Tipp gibt, wie das Auto richtig zu handeln ist, dürfte das Team in Papayafarben noch weiter davonstürmen.

Womöglich aber ist Piastri auch Einzelkämpfer. Und es würde dem Team eine Sorge nehmen: Welcher der beiden Fahrer bekommt die bessere Behandlung? Mit dieser Entscheidung hatte McLaren zuletzt seine Problem. Dabei wäre es laut Experte Danner eigentlich ganz einfach: Falls man im WM-Kampf alle Karten auf ein Auto setzen würde, wäre Piastri derzeit bevorzugt. Und wer will nicht gern die besten Chancen auf einen Weltmeister-Titel haben?

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