Sie verschwindet fast hinter all den WM-Gürteln
Nach ihrem siegreichen Fight wartete sofort die nächste Herausforderung auf Tina Rupprecht: Wie bringt man vier voluminöse WM-Gürtel auf 1,53 Meter Körpergröße unter? Erst versuchte der WBC-Supervisor des Kampfes, Malte Müller-Michaelis, ihr all die Gürtel umzuhängen, dann kam Promoter Ulf Steinforth zu Hilfe. Irgendwann hatten sie alle Gürtel erfolgreich platziert. Das nennt man ein Luxusproblem.
Weltmeisterin der Verbände WBA, WBO und WBC war Rupprecht zuvor schon, jetzt hat sie ihrer Gegnerin Sumire Yamanaka aus Japan auch noch den IBF-Titel abgenommen. Champion aller wichtigen vier Boxverbände, das gab es im deutschen Boxsport noch nie. »Undisputed« darf sie sich jetzt nennen, die Unumstrittene. Da nimmt man es gern in Kauf, hinter der Ansammlung von Gürteln fast zu verschwinden.
Schnell auf den Beinen
An diesem Abend in Potsdam gab es ohnehin keine Aufgabe, die Tina Rupprecht, Kampfname »Tiny Tina«, nicht gemeistert hätte. Im Kampf gegen die Japanerin im sogenannten Atomgewicht, der leichtesten Gewichtsklasse der Frauen, war sie über weite Teile des Kampfes schnell auf den Beinen, schaffte es dadurch, die schlagkräftige Japanerin auf Distanz zu halten – das Geheimnis des Erfolges, das sie und ihr Trainer Alexander Haan zuvor ausgetüftelt hatten.
Yamanaka ist noch ein paar Zentimeter kleiner als Rupprecht, musste daher den Infight suchen, um an ihre Kontrahentin heranzukommen. Das gelang ihr zwar gelegentlich, aber gegen die schnell ausweichende Rupprecht zu selten, um die drei Kampfrichterinnen wirklich zu überzeugen.
Anspruchsvoll, ausgeglichen
Anschließend behängt mit all den Trophäen des Weltboxens zeigte sich die Weltmeisterin im ersten Interview noch »überwältigt« von dem Abend, aber schon bald konnte sie das Ganze mit kühlerem Kopf betrachten: »Ich glaube, wir haben wirklich Werbung für das Boxen der Frauen gemacht und die Leute begeistert.«
Tatsächlich war es ein technisch anspruchsvoller Kampf, ausgeglichen, nie langweilig, was auch daran liegt, dass die Rundenzeit bei den Frauen auf zwei Minuten begrenzt ist und nicht wie bei den Männern drei Minuten beträgt.
Boxen der Frauen – das war in Deutschland bisher hauptsächlich Regina Halmich: Die frühere Weltmeisterin, populär nicht nur wegen ihrer TV-Auftritte gegen Stefan Raab, saß in Potsdam selbst am Ring und kommentierte die Liveübertragung an der Seite von MDR-Boxspezialist Eik Galley als Expertin. Halmich war zwölf Jahre lang Champion, die vier konkurrierenden Verbände gab es damals aber bei den Frauen noch nicht, das war zu ihrer Zeit noch Männersache. Dass auch mit dem Boxen der Frauen Geld verdient werden kann, hatte sich damals auch in der Branche kaum herumgesprochen.
Höchstes Lob von Halmich
»Boxen ist einfach Leidenschaft, und das hat Tina heute gezeigt«, gab Halmich ihrer Nachfolgerin alles denkbare Lob mit auf den Weg und hofft auf einen Schub fürs deutsche Boxen, sowohl der Frauen als auch der Männer. Bei den Frauen kam nach Halmich lange nichts, bei den Olympischen Spielen von Paris waren deutsche Boxerinnen gar nicht vertreten. Es ist ein Sport, der bei den Frauen immer noch um öffentliche Akzeptanz ringt.
Rupprecht ist in dieser Hinsicht zweifellos eine gute Werbeträgerin. Dass sie neben ihrer Profikarriere noch einmal pro Woche in die Schule geht und dort als Lehrerin Kindern Sportunterricht gibt, kommt dem zugute. Selbst die bayerische Staatsregierung hat sich dieser Tage zu Wort gemeldet und der 32-Jährigen durch Kultusministerin Anna Stolz den roten Teppich ausgerollt.
.
Jetzt Urlaub in Japan
»Mit ihrer einzigartigen Kombination aus sportlicher Höchstleistung und pädagogischem Engagement ist Tina Rupprecht ein echtes Vorbild für Schülerinnen und Schüler«, sagte Stolz. Am Mittwoch ist es wieder so weit an der Realschule Zusmarshausen bei Augsburg. Dann ist wieder Unterricht bei Frau Rupprecht, die für die Schülerinnen und Schüler allerdings Frau Fritschi heißt – nach dem Nachnamen ihres Ehemannes.
Eine Unterrichtswoche, danach geht es in den Urlaub, ganz weit weg vom Boxen: »Ich brauche erst einmal Ruhe von den Boxhandschuhen.« Ob ihr das gelingt, ist allerdings fraglich. Sie reist nach Japan, in das Land, aus dem ihre beiden letzten Gegnerinnen stammen. Tatsächlich werde sie sich mit Eri Matsuda, die von Rupprecht im Dezember besiegt wurde, »auf einen Kaffee« treffen.
Das Verhältnis der Boxerinnen untereinander ist zumindest in dieser Gewichtsklasse freundschaftlich. Oder wie Rupprecht es im Vorfeld des Kampfes plakativ ausgedrückt hat: »Wir wollen uns im Ring schon auf die Fresse hauen, aber wir wollen uns doch nicht umbringen.«
Und danach? »Jetzt erst mal genießen, herunterkommen – und dann machen wir neue Pläne.« Noch mehr gewinnen als jetzt kann sie eigentlich nicht mehr. Und ein fünfter WM-Gürtel, der würde dann auch wirklich keinen Platz mehr finden.
Treffer im Kampf gegen die Japanerin Sumire Yamanaka
Foto: Andreas Gora / dpaEindeutiges Urteil des Kampfgerichts pro Tina Rupprecht
Foto: Uwe Koch / HMB-Media / IMAGOEin ausgeglichener, anspruchsvoller Fight
Foto: Andreas Gora / dpa