Anzug-Skandal erinnert fatal an das Radsport-Desaster

Der Skandal durch manipulierte Anzüge bei der Weltmeisterschaft bringt dem Skispringen viel Aufmerksamkeit. Nicht die, die erwünscht ist. Der Weltverband greift hart durch. Doch der Imageschaden ist längst da.

Das tapfere Schneiderlein - und sieben auf einen Streich werden erwischt? Das, was da bei der Nordischen Ski-Weltmeisterschaft in Trondheim im Skispringen passiert ist, ist alles andere als ein Märchen. Ja, es wird genäht und ja, es werden mehrere gleichzeitig erwischt. Aber das ist die harte Realität fürs Skispringen. Eine, die die Sportart teuer zu stehen kommen könnte.

Die Norweger sorgen bei der WM für einen Skandal, indem sie ihre Anzüge manipulieren. Nachträglich bringen sie eine verstärkte Naht in den Schritt ein, die für mehr Stabilität sorgen soll und die Springer damit beim Fliegen in der Luft unterstützt. Die Empörung ist riesig: Betrug, Wettbewerbsverzerrung und Materialdoping.

Erst werden Marius Lindvik und Johann André Forfang beim Springen von der Großschanze disqualifiziert, Teammitglieder, darunter Trainer Magnus Brevig, vom norwegischen Verband suspendiert. Mit ein paar Tagen Verspätung folgt nun die vorläufige Sperre durch den Weltverband Fis für fünf Norweger: Lindvik, Forfang, Brevig, dazu Assistenztrainer Thomas Lobben und Servicemitarbeiter Adrian Livelten. Fis-Generalsekretär Michel Vion sagt: "Die Situation ist natürlich äußerst beunruhigend und enttäuschend."

Vorwürfe gegen andere Nationen

Und ja, der Skandal hat das Potenzial, die ganze Sportart zu diskreditieren. Womöglich gar so sehr, wie es der Doping-Skandal im Radsport rund um die Jahrtausendwende. Als die Helden Jan Ullrich und Lance Armstrong als Betrüger enttarnt wurden. Der Weltverband möchte dem offenbar entgegenwirken. Schnell die Schuldigen aussperren, um den Schaden zu begrenzen.

Doch es gibt nicht nur Eingeständnisse, sondern auch das große Austeilen seitens Norwegen. "Absolut jeder macht es", sagt Daniel André Tande, 2018 Olympaisieger mit der Mannschaft, beim norwegischen Rundfunk NRK. "Der Grundsatz in dem Sport lautet, wenn du nicht erwischt wirst, hast du nicht betrogen", sagt Johan Remen Evensen, der mit der norwegischen Mannschaft unter anderem Olympia-Bronze 2010 gewann. Das ist der Grundsatz des Dopings.

Dopingsünder sind den Jägern immer einen Schritt voraus. Nicht alle Substanzen, die genutzt werden, sind mit den Tests nachweisbar. Es ist seit jeher ein Katz-und-Maus-Spiel. Immer wieder werden Medaillen nachträglich vergeben, weil die Täter erst Jahre später überführt werden können.

Medaillen mit Geschmäckle

Und das trifft auch auf das Materialdoping zu. Bekannt ist das wie das systematische Menschen-Doping vor allem aus dem Radsport. Versteckte Elektro-Motoren etwa werden seit Jahren gefürchtet. Einmal konnte einer nachgewiesen werden: bei der belgischen Radcross-Fahrerin Femke van den Driessche im Jahr 2016. Sie wurde bei der WM erwischt und für sechs Jahre gesperrt. Der Doping-Verdacht, ob mechanisch oder am Körper des Sportlers, er fährt im Radsport immer mit.

Nun ist auch das Skispringen betroffen. Seit Jahren bezichtigen sich die Nationen gegenseitig des Regelüberschreitens. Jetzt wird erstmals eine Gruppe ertappt, wirklich zu betrügen. Sofort steht die Glaubwürdigkeit der ganzen Sportart infrage. Das weiß auch die Fis und versucht, entgegenzuwirken. Neben den Suspendierungen führt der Verband eine Anpassung der Anzugkontrollen durch.

Doch auf der WM liegt ein Schatten. Womöglich greift auch hier die Fis noch hart durch. Alle Anzüge der Norweger werden noch einmal überprüft. Lindvik war von der Kleinschanze Weltmeister vor Andreas Wellinger geworden, Forfang hatte im selben Wettbewerb Platz fünf belegt. Im Mixed-Wettbewerb gewannen sie gemeinsam mit ihren Teamkolleginnen Anna Odine Ström und Eirin Maria Kvandal Gold. Im Teamspringen der Männer gab es zudem Bronze für die beiden nun gesperrten. Es ist möglich, dass all diese Ergebnislisten neu geschrieben werden müssen.

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