So grausam ist nur eine Mannschaft in Europa: Real Madrid

Die unzähmbare Bestie Real gewinnt in der Champions League gegen Atlético - das ist inzwischen fast schon Gesetz im Madrider Derby. Im Achtelfinale kommt es zum Elfmeterschießen, mit viel Pech auf der einen, und Rüdiger auf der anderen Seite.

Der Anfang war grandios für Atlético Madrid, das Ende gnadenlos. Im hitzigen und emotionalen Stadtderby mit Real Madrid fliegt die Mannschaft von Trainer Diego Simeone aus der Champions League. Sie waren wieder mal an der größten Bestie des europäischen Fußballs gescheitert, die an diesem Mittwochabend aber lange zahnlos war. Bereits nach 28 Sekunden hatte Atlético Madrid getroffen und damit den Rückstand (1:2) aus dem Hinspiel aufgeholt. Conor Gallagher hatte den Ball über die Linie gedrückt. Die Eskalation des Glücks, der in der Nacht zu Donnerstag die bittere Tränen der Enttäuschung folgten. Im Elfmeterschießen scheiterte Atlético ganz bitter.

Als zweiter Schütze seines Teams trat Julian Alvarez an. Der argentinische Weltmeister rutschte beim Anlauf aus, haute den Ball aber trotzdem noch erfolgreich unter die Querlatte. 2:2, eigentlich. Denn dann meldete sich der VAR und kassierte den Treffer ein. Alvarez hatte sich den Ball ans Standbein geschossen. Eine Doppelberührung ist nicht zulässig. Das Drama begann nun endgültig. Der vorletzte Real-Schütze, Lucas Vázquez, scheiterte an Torwart Jan Oblak. Hoffnung für Atletico, alles wieder drin. Marcos Llorente, einst bei Real ausgebildet, legte sich den Ball zurecht - und hämmerte ihn ans Lattenkreuz. Fassungslose Gesichter im Estadio Metropolitano.

Alles hing an Antonio Rüdiger. Der Abwehrchef der deutschen Nationalmannschaft trat an, schoss schwach, aber Oblak konnte den Ball nur berühren, nicht abwehren. Rüdiger sprintete aufreizend lässig und in großen Schritten zum eigenen Anhang, die Teamkollegen folgten ihm. Real Madrid bleibt Real Madrid. "Auch das Überleben ist Teil ihrer Legende", schrieb die "AS" fast ehrfurchtsvoll über den glücklichen Sieger.

Simeone ist stinksauer

Atlético dagegen schäumte, schimpfte und stritt über die Grausamkeit des Ausscheidens - und sah sich klar benachteiligt. Coach Diego Simeone witterte einen mittelschwerer Skandal. "Ich habe noch nie einen Elfmeter gesehen, bei dem sie den VAR eingeschaltet haben. Julian soll den Ball mit dem Standbein berührt haben, aber der Ball hat sich nicht bewegt", sagte Simeone und holte ein Stimmungsbild bei den Medienvertretern auf der Pressekonferenz ein. "Hebt eure Hand. Jeder, der gesehen hat, dass Julian den Ball zweimal berührt hat, soll seine Hand heben", forderte Simeone und blickte ins Leere: "Niemand hat seine Hand gehoben."

Wäre Thibaut Courtois in diesem Moment anwesend gewesen, hätte er seine Hand wohl gehoben. Mit Worten aber bezog der Torhüter Reals klar Stellung. "Ich bin es satt, immer diese Opferrolle, immer dieses Geheule", sagte der Belgier: "Die Schiedsrichter wollen niemanden bevorzugen – nicht in Spanien, nicht in Europa. Sie haben viele Bilder und Kameras und es klar gesehen. Deshalb haben sie diese Entscheidung getroffen."

Courtois räumte derweil aber auch ein, dass Atlético durchaus Pech gehabt habe. Das Ausscheiden habe man aber letztlich selbst zu verantworten. "Wenn du seit der ersten Minute 1:0 führst und dann nicht versuchst, das zweite Tor zu machen, liegt der Fehler vielleicht auch darin", sagte er.

Warum schoss eigentlich Antonio Rüdiger?

Dass Rüdiger die große Verantwortung schulterte, war eine spontane Eingebung von Trainer Carlo Ancelotti. "Wir hatten Zweifel zwischen ihm und Endrick. Ich habe Endricks Gesichtsausdruck gesehen und mich für Rüdiger entschieden", sagte der Maestro zu später Stunde. Ein Argument für den Deutschen sei unter anderem gewesen, dass er im Viertelfinale der vergangenen Saison als letzter Schütze "gegen Manchester City getroffen hatte". Der junge Brasilianer Endrick war erst kurz vor Ende der Verlängerung für den dieses Mal schwachen Superstar Vinícius Júnior ins Spiel gekommen, der in der regulären Spielzeit einen Strafstoß über das Tor gesetzt hatte.

Aber das ist Real. Das ist Ancelotti. In großen Momenten tun sie das Richtige, auch wenn vieles zuvor gegen sie gelaufen ist. Auf diesen Impuls können sich die Königlichen fast immer verlassen. "Es war ein schwieriges Spiel, weil sie in der ersten Minute getroffen haben. Das hat die Dynamik ein wenig verändert. Sie haben sehr gut verteidigt, gut gekontert. Wir haben nicht viele Situationen kreiert, außer den Elfmeter", gestand der Trainer. "Gegen Atlético ist es schwer, klare Chancen herauszuspielen, weil sie spektakulär verteidigen, mit einer außergewöhnlichen Einstellung. Ich hatte Bedenken bezüglich eines Spiels ohne Kontrolle."

Real Madrid finde "immer ein bisschen mehr Grausamkeit", befand die "Marca" - und urteilte nach dem "verrücktesten Derby": Es sei nicht klar, was man tun müsse, um den Rekordsieger "aus dem Europapokal zu werfen". Schon zuvor hatte sich Real in der Champions League immer gegen Atlético durchgesetzt - im Finale 2014, im Viertelfinale 2015, im Finale 2016 sowie im Halbfinale 2017.

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