Rückzug von Türkspor Dortmund sorgt für große Wut in Regionalliga
Türkspor Dortmund ist Tabellenletzter der Regionalliga West. In der Winterpause legt der Klub personell nach, will das Wunder Klassenerhalt noch möglich machen. Ein paar Wochen später gibt der Klub auf. Das sorgt für reichlich Missstimmung in der Liga.
Das Fußballmärchen von Türkspor Dortmund erfährt ein jähes Ende. Der Tabellenletzte der Regionalliga West gibt nach 24 Spieltagen und nur einem Sieg auf. Am Mittwoch gab der Klub den sofortigen Rückzug bekannt. Vor acht Jahren kickten die Dortmunder noch in der Kreisliga B, das ist Amateursport, Hobby. Dann kam ein Arzt als Mäzen und setzte Geld ein. Der Aufstieg war nicht mehr aufzuhalten. Bis jetzt.
Der Rückzug wird von reichlich internen und externen Misstönen begleitet. In einer offenbar ohne jede Vorankündigung via Whatsapp verfassten Nachricht an die Mannschaft erhebt Klubboss Dr. Akin Kara auch Vorwürfe gegen die Spieler, wie der "Reviersport" berichtet: "Diese Entscheidung ist nicht leicht gefallen, aber sie ist unausweichlich. Finanzielle Engpässe, eine fehlende Unterstützung und unsere sportliche Situation haben es unmöglich gemacht, weiterzumachen. Ihr müsst wissen: Die Entscheidung wurde nicht nur durch äußere Faktoren getroffen - auch ihr als Mannschaft tragt Verantwortung", heißt es da.
Tatsächlich war der Klub in dieser Saison an seine Grenzen gestoßen, musste unter anderem seine Heimspiele erst in Velbert und dann im Hagener Ischelandstadion austragen, was mit zusätzlichen Kosten verbunden war. Aber auch sportlich ging nichts zusammen. Im letzten Spiel hatte sich Türkspor mit 0:7 bei der Zweitvertretung des SC Paderborn vorführen lassen. Das war der Tiefpunkt dieser Saison. Kara beklagte in dem Schreiben eine mangelnde Körpersprache und eine nicht ausreichende Bereitschaft, alles für den Klub zu tun: "Ein Verein kann nur funktionieren, wenn jeder bereit ist, 100 Prozent zu geben - das war in dieser Saison nicht der Fall." Wie es für Türkspor nun weitergeht, solle in den nächsten Tagen geklärt werden, hieß es zum Ende des Schreibens.
Mölders: "Dafür habe ich einfach kein Verständnis"
Der Rückzug der Dortmunder sorgte indes für große Aufregung innerhalb der Liga. Denn die Ergebnisse werden aus der Wertung genommen. Sprich: Alle Teams, die zweimal gegen Türkspor gewonnen haben, verlieren sechs Punkte. Mannschaften, die gepatzt haben, verlieren dagegen deutlich weniger. Das mischt unter anderem den Kampf gegen Abstieg neu. Einer der Gewinner im Tabellenkeller: Mitaufsteiger Eintracht Hohkeppel, die als einzige Mannschaft gegen Türkspor verloren hatten.
Kevin Theisen, der Sportdirektor in Hohkeppel, reagiert via "Reviersport" nüchtern auf den Rückzug: "Türkspor stand eigentlich ohnehin als erster Absteiger fest. Die aktuelle Tabelle wurde mir jetzt mehrfach zugeschickt, aber das hat uns nicht sehr interessiert, auch wenn die Ausgangslage jetzt besser ist", sagte er.
Ganz anders blickt dagegen Sascha Mölders, ehemaliger Profifußballer und Trainer des nun Tabellenletzten SC Wiedenbrück auf die Geschehnisse. Er ist richtig wütend: "Es ist ein Skandal! Das ist miserabel für den ganzen Westdeutschen Fußballverband. Hierbei gibt es keinen Gewinner, das macht so keinen Spaß. Wir sind auch ein kleiner Verein, haben unser Budget, dafür habe ich einfach kein Verständnis. Die holen noch fünf neue Spieler im Winter, das kannst Du nicht machen. Die Mannschaften, die jetzt durch die Spielabsagen aus dem Rhythmus kommen, tun mir alle leid. Es nervt einfach alle!" Wiedenbrück verliert auch drei wichtige Punkte.
Tatsächlich hatte Türkspor in der Winterpause mächtig aufgerüstet und mit prominenten Verpflichtungen für Aufsehen gesorgt. Unter anderem kamen Oguzhan Kefkir, der vor allem in der 3. Liga als Profi viele Spiele absolviert hatte, und Dennis Lerche, ein erfahrener Stürmer. Der bereut mittlerweile seinen Wechsel, wie er "Reviersport" gegenüber verriet. "Beim nächsten Mal muss ich genauer auf die Strukturen des Vereins schauen. Denn man muss auch ehrlich sein: Für uns Spieler ist der Rückzug natürlich scheiße. Aber für den Verein das Beste, was die Verantwortlichen tun konnten. Denn das alles, was bei Türkspor passiert, hat natürlich nichts mit Regionalliga zu tun." Was er besonders schade findet, ist, "dass die Mannschaft in diesem WhatsApp-Schreiben in die Kritik genommen wird. Wir sind nur Arbeitnehmer und nicht die Verantwortlichen. Der Verein muss doch zusehen, dass man für eine Liga, in der man spielen will, auch vorbereitet ist."
Duisburgs Trainer ist sehr verärgert
Ähnlich empört wie Mölders war auch Dietmar Hirsch, der Coach von Tabellenführer MSV Duisburg: "Ich gehe eigentlich davon aus, dass in einer Profiliga wie der Regionalliga West bei der Lizenzierung darauf geachtet wird, dass keine Mannschaft zurückziehen muss. Für mich ist es mehr als unglücklich. Es ist das letzte Saisondrittel, Du hast ein gewisses Punktepolster erarbeitet und jetzt ist die Tabelle komplett verzerrt."
Zwar fehlen dem MSV nun sechs Punkte, das Polster auf den ersten Verfolger, Borussia Mönchengladbach II, beträgt indes fünf Zähler. Zudem haben die Duisburger ein Spiel weniger absolviert. "Ich finde, sowas darf grundsätzlich in der Regionalliga nicht passieren. In der 3. Liga wird auch sichergestellt, dass bis zum Ende durchgespielt wird. Ich kann sowas nicht verstehen und finde es auch ein Stück weit unsportlich", sagte Hirsch und kritisierte dann auch noch einen der Gründe für den Rückzug: "Da wird von Körpersprache gesprochen, die zuletzt nicht gestimmt hat. Das sind doch keine Gründe, eine Mannschaft zurückzuziehen!"
Türkspor ist im Dortmunder Fußball kein Einzelfall. Mit dem TuS Bövinghausen, dem Ex-Klub von Ex-Profi Kevin Großkreutz droht eine Liga tiefer ebenfalls der K.o., bis Ende März muss der Tabellenletzte eine Finanzlücke von 70.000 Euro schließen, sonst droht das Ende. "Der Verein wird gelöscht", hatte der Insolvenzverwalter des Klubs laut "WAZ" als Konsequenz unmissverständlich geäußert. Ein Neustart in der Kreisliga wäre dann erst zur Saison 2025/26 möglich. Dabei hatte der Klub einst große Ambitionen.