Merz und Klingbeil dämpfen Erwartungen, nur Söder "sehr optimistisch"

Es geht los: Union und SPD starten in die Schlussphase der Koalitionsverhandlungen. Es gebe noch "einige Brocken" aus dem Weg zu räumen, sagt CDU-Chef Merz - zeigt sich aber, wie SPD-Chef Klingbeil, zuversichtlich. Nur CSU-Chef Söder strotzt vor Optimismus.

Zum Auftakt der eigentlichen Koalitionsverhandlungen haben sich die vier Spitzen von Union und SPD optimistisch gezeigt - allerdings in spürbar unterschiedlichen Ausprägungen. "Wir wissen um die Größe der Aufgabe", sagte SPD-Chef Lars Klingbeil, "und wir wollen, dass es klappt".

Zugleich klang sein Optimismus leicht gedämpft: Man müsse sich die Ergebnisse der Arbeitsgruppe auch dahin gehend anschauen, ob "das eigentlich alles die Herausforderungen, vor denen unser Land steht", erfülle.

Union und SPD treffen sich heute Nachmittag erstmals auf der Ebene einer 19-köpfigen Steuerungsgruppe, um einen Koalitionsvertrag zu erarbeiten. Das Treffen findet im Willy-Brandt-Haus statt, der Zentrale der SPD. Die 16 Arbeitsgruppen beider Parteien mit jeweils 16 Mitgliedern hatten in den vergangenen Tagen ihre Ergebnisse vorgelegt. Darin enthalten sind zahlreiche Punkte, in denen es keine Einigung gegeben hatte. Dies soll nun die Steuerungsgruppe leisten. Wann ein Koalitionsvertrag vorliegt, ist offen. Von seinem ursprünglichen Ziel, bis Ostern fertig zu sein, ist CDU-Chef Friedrich Merz abgerückt.

"Aber es liegen noch einige Brocken vor uns"

Merz zeigte sich vor dem Beginn der Verhandlungen im Willy-Brandt-Haus ebenfalls zuversichtlich, verwies aber auch, wie Klingbeil, auf die Größe der Aufgabe. Die Gespräche der vergangenen Wochen seien "von einem immer größer werdenden persönlichen Vertrauen geprägt" gewesen, sagte er. "Insofern gehe ich mit großer Zuversicht in die nächsten Tage. Aber es liegen noch einige Brocken vor uns, und die müssen wir noch gemeinsam aus dem Weg räumen."

Etwas skeptischer klang SPD-Chefin Saskia Esken. "Über die Ergebnisse unserer Arbeit weiß die Öffentlichkeit mehr als uns lieb ist", sagte sie mit Blick auf die Ergebnisse der Arbeitsgruppen, die in den vergangenen Tagen breit an die Medien durchgesickert waren. Diese Papiere seien eine Sammlung von vielen Wünschen, "aber unsere Mittel sind begrenzt". Sie betonte, SPD, CDU und CSU seien "drei sehr unterschiedliche Parteien mit sehr unterschiedlichen Ansätzen und Haltungen".

"Fast alles drin, was Deutschland braucht"

CSU-Chef Markus Söder wiederum zeigte sich "sehr optimistisch, was eine Regierungsbildung betrifft". Die bereits erreichte Grundgesetzänderung über die Finanzierung der Verteidigungsausgaben sowie die Schaffung eines Sondervermögens für die Infrastruktur seien "ein Ritt auf der Rasierklinge" gewesen. Das "hätte auch schiefgehen können", räumte Söder ein, "aber am Ende ist es gelungen".

Dass die Ergebnisse der Arbeitsgruppen bekannt wurden, scheint den CSU-Vorsitzenden nicht weiter zu stören. "Ist ja alles öffentlich raus, ich bin ja auch froh, wenn jeder auch alles liest, dann kann sich jeder informieren. Ich kann nur eines sagen: Da ist fast alles drin, was Deutschland braucht. Noch nicht abschließend, aber fast alles drin. In ein paar Punkten haben wir noch unterschiedliche Auffassungen, aber wir werden es gemeinsam dann schon wuppen." Das Ziel der künftigen Bundesregierung sei, "ein bisschen mehr Optimismus" zu schaffen. Aktuell sei die Stimmung in Deutschland "nicht so richtig toll".

CDU-Chef dankt den Grünen

Merz war erkennbar bemüht, für eine konstruktive Atmosphäre zu sorgen - ihm und der Union insgesamt war nach den Verhandlungen über die Grundgesetzänderung vorgeworfen worden, zu konfrontativ aufgetreten zu sein. Ausdrücklich bedankte er sich bei der SPD, "aber auch bei den Grünen, dass es möglich wurde, dass wir sehr schnell nach der Bundestagswahl eine Grundgesetzänderung vornehmen konnten". Zudem dankte er der bisherigen Bundestagspräsidentin Bärbel Bas von der SPD, "nicht nur für die dreieinhalb Jahre im Amt", auch für die gute Übergabe der Amtsgeschäfte an ihre Nachfolgerin Julia Klöckner von der CDU.

Inhaltlich machte Merz deutlich, dass es noch strittige Punkte gibt. Es gebe "einige Einzelfragen", über die man sprechen müsse, "aber die Richtung stimmt". Das gemeinsame Ziel sei es, "die Zahl der irregulär nach Deutschland kommenden Migranten schnell und nachhaltig zu senken".

Mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung betonte Merz, Deutschland stecke "eigentlich seit mindestens schon einem Jahrzehnt" in einer strukturellen Wachstumsschwäche - damit nahm er die Union in Mithaftung für die aktuelle Situation. Er verband dies mit der Forderung, ein paar Grundsatzfragen zu klären: Union und SPD müssten sich austauschen, ob sie sich über die Ursachen der Wachstumsschwäche einig seien. "Sind das vor allem die Kostenbelastungen, sind das die Steuern, die Sozialversicherungsbeiträge, die Energiekosten, die Bürokratiekosten?" Hier dürften die Antworten der Parteien durchaus kontrovers ausfallen.

Die nächste Bundesregierung werde "umfassend sparen müssen, darüber müssen wir diskutieren", so Merz. In seiner Einschätzung über die Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen klang er eher wie Klingbeil als wie Söder: Er habe den Eindruck, bei manchen Arbeitsgruppen habe die Überschrift gelautet: "Wünsch dir was". Das müsse nun "auf das mögliche Maß" reduziert werden.

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