Renée Zellweger: "Ich war gelangweilt von mir selbst"
Im neuesten und vermutlich letzten Kapitel der beliebten "Bridget Jones"-Reihe, "Verrückt nach ihm", hat sich das Leben der Protagonistin (gespielt von Renée Zellweger) erneut völlig verändert: Als alleinerziehende Mutter und Witwe steht sie vor neuen Herausforderungen, sowohl im Job als auch in Sachen Liebe. Während die bekannten Gesichter Mark Darcy (Colin Firth) und Daniel Cleaver (Hugh Grant) diesmal kaum eine Rolle spielen, sorgen zwei neue Männer für Turbulenzen in Briget Jones' Leben - gespielt von Leo Woodall und Chiwetel Ejiofor. Im Interview mit ntv.de sprechen die drei Hauptdarsteller über Dating-Apps, Altersunterschiede in Beziehungen und das viel diskutierte Frauenbild der beliebten Filmreihe.
ntv.de: Bridget Jones probiert sich nach dem Tod ihres Ehemannes im Online-Dating aus und lädt sich eine Dating-App herunter. Ist das etwas für euch, habt ihr schon einmal Tinder und Co. benutzt?
Leo Woodall: Nein. Ich finde die Vorstellung seltsam, dass man im Grunde genommen nach rechts oder links wischen kann und so schnell über jemanden urteilen kann, aufgrund eines Witzes, den er gemacht hat oder was auch immer. Es hat gute und schlechte Seiten. Ich habe damit nicht so viele Erfahrungen, ihr?
Chiwetel Ejiofor: (lacht) Null Prozent Erfahrung!
Renée Zellweger: Noch etwas weniger! (lacht) Ich versuche, mir keine Meinung über Dinge zu bilden, die ich nicht verstehe. Ich neige dazu, mich von der Entscheidung, ob es eine gute oder eine schlechte Sache ist oder nicht, fernzuhalten. Aber ich kann mir vorstellen, dass es viele einsame Menschen sehr glücklich gemacht hat - Menschen, die zu schüchtern sind oder keine Zeit haben, jeden Abend rauszugehen und sich umzusehen und zu sehen, ob sie eine Verbindung zu jemandem herstellen. Andererseits dachte ich, als Dating-Apps eingeführt wurden, dass sie einen für so viele Verletzlichkeiten öffnen. Und damit meine ich nicht persönlich, sondern physisch. (lacht) "Hey, triff mich in dieser und jener Ecke!" "Neiiin, ich glaube, das ist keine gute Idee, aber okay! Was soll ich anziehen?"
"Bridget Jones - Verrückt nach ihm" ist ein guter Abschlussfilm einer epischen Reise. Wie war es für euch Männer, mit einem Fuß in das Franchise einzutauchen?
Ejiofor: Es war sehr aufregend für mich. Ich bin mit Bridget Jones aufgewachsen und habe es geliebt, die Filme zu sehen und viel von ihnen mitgenommen. Über meinen eigenen Sinn für Ordnung, in all den chaotischen Phasen des Lebens ich selbst zu sein. Auch wenn die Botschaften damals eher auf Frauen ausgerichtet waren, haben sich auch Männer damit identifizieren können. Auch die männlichen Charaktere waren faszinierend, lustig und fesselnd. Ich war zwar ein wenig eingeschüchtert, in die Welt von Bridget Jones einzutreten. Aber es war eine so einladende Welt, vor allem durch Renée, die wirklich mit so viel Sensibilität führt.
Woodall: Da kann ich mich Chiwetel nur anschließen, es war eine Ehre und eine Freude, diesen Film zu machen. Besonders für mich als junger Schauspieler, der zu diesen beiden und anderen Schauspielern des Films aufgeschaut hat.
Wie war es für dich, Renée, nach so langer Zeit als Bridget Jones zurückzukehren?
Zellweger: Wir hatten Spaß! (lacht) Es ist der beste Job der Welt. Das ist es wirklich. Wieder in eine fiktive Figur zu schlüpfen, die sich in einem Paralleluniversum in Echtzeit weiterentwickelt hat, zusammen mit seinen eigenen Erfahrungen, ist so einzigartig. Bridget im Laufe der Jahre wiederzutreffen, ist jedes Mal eine Wiederverbindung und ein Wiederentdeckungsprozess, weil keine von uns in verschiedenen Kapiteln unseres Lebens dieselbe Person ist. Ich versuche anhand der Erfahrungen von Helen (Fielding, Autorin der "Bridget Jones"-Bücher, Anm.d.Red.) in ihren Büchern herauszufinden, was in der Zwischenzeit passiert ist und wie die Dinge verändern könnten, wer Bridget ist - was ihre Perspektive, ihre Werte sind und wie sie sich verhält. Es macht Spaß, wieder einen Weg in ihre Psyche zu finden, und zu erfahren, wie das aussehen könnte. Aber auch, wie sie sich vielleicht nicht verändert hat, ist genauso interessant.
Bridget Jones datet im Film einen jüngeren Mann. Warum ist das immer noch ein Gesprächsthema oder gar ein Aufreger?
Woodall: Weil wir so was auf dem Bildschirm nicht oft sehen. Es gibt unzählige Beziehungen auf der Leinwand, in denen ein älterer Mann und eine jüngere Frau involviert sind. Unabhängig von der persönlichen Meinung der Leute darüber ist es unglaublich normalisiert. Aber wenn wir etwas nicht sehen, kann es nicht normalisiert werden - und so reden die Leute mehr darüber und schenken dem Thema mehr Aufmerksamkeit.
Zellweger: Ich frage mich, warum das eine Neuheit ist. Es wurden schon so viele Songs darüber geschrieben, weil das in der Gesellschaft nichts Neues ist - "Mrs. Robinson", "Me and Mrs. Jones", "Mad About the Boy" … Wir könnten bis zum Film "Harold und Maude" zurückgehen!
Renée, du hattest dir vor den Dreharbeiten eine lange Auszeit von der Schauspielerei genommen. Was hast du daraus gelernt? Und könntest du dir vorstellen, das noch einmal zu tun?
Zellweger: Oh, sicherlich. Wenn es sich notwendig anfühlt oder wenn es etwas anderes gibt, das wichtig zu erforschen scheint, klar. Und ich habe mich nicht geirrt. Ich bereue es nicht. Das ist ja auch nichts Neues, Daniel Day-Lewis macht das die ganze Zeit, und niemand sagt danach, dass er ein Comeback feiert. Er ist einfach weggegangen, hat sein Leben gelebt, ist als Person gewachsen, hat etwas Neues gelernt und ist dadurch wahrscheinlich ein interessanterer Mensch geworden. Das waren meine Hoffnungen darin. Ich war gelangweilt von mir selbst und fühlte mich, als wäre ich überflüssig. Ich konnte es nicht ertragen, mir selbst zuzuhören, wie ich immer und immer wieder über die gleichen Dinge gesprochen habe. Ich musste wachsen und etwas Neues ausprobieren, mich weiterentwickeln.
Bridget Jones versteht das Konzept von "Fake it, till you make it". Sei es in ihrem Job oder einfach nur, um sich aus unangenehmen Situationen herauszuwinden. Habt ihr in Castings jemals eine Fähigkeit übertrieben oder schlicht gelogen, um den Job zu kriegen?
Zellweger: (lacht) Ja! Ich wurde gebeten, für eine Bierwerbung vorzusprechen, als ich auf dem College war, und sie fragten mich: "Kannst du Rollschuh fahren?" Rollschuhe waren damals etwas Neues, aber ich bin mit Schlittschuhen aufgewachsen und war zu Geburtstagen in Texas immer auf der Eisbahn. Also dachte ich mir: Wie schwer kann das sein? Du bewegst einfach die Räder. Es ist bestimmt der gleiche Sport! Also habe ich mir ein paar Rollerblades gemietet, es ausprobiert und gedacht: Ich werde definitiv sterben. Beim Vorsprechen hieß es: "Hier, zieh diesen Bikini an. Hier, zieh diese Rollschuhe an. Hier, trag dieses 12er-Pack auf deiner Schulter. Und kannst du da oben auf dem Hügel starten?" (lacht) Gott sei Dank haben sie die Straße unten blockiert, denn wenn es Gegenverkehr gegeben hätte, würden wir dieses Gespräch heute nicht führen. Aber es ist eine wirklich gute Möglichkeit, die Welt zu verlassen, wenn man sie verlassen will - begraben unter einem Haufen Bier.
Aber du hast es gemacht?
Zellweger: Es hat so ziemlich das College bezahlt, also ja. (lacht)
In den letzten Jahren wurde viel über das toxische Frauenbild von "Bridget Jones" diskutiert. Was denkst du darüber?
Zellweger: Das ist interessant, davon wusste ich nichts. Wir haben vorhin über Bridgets Selbstbewertung gesprochen und dass ich es nie so wahrgenommen habe, dass sie sich in irgendeiner Weise selbst bestraft oder versucht, sich irgendeinem sozialen Paradigma über Schönheit anzupassen. Ich habe nie gedacht, dass mit ihr etwas falsch ist. Sondern es allgemeiner als eine Darstellung davon verstanden, wie wir wegen Dingen auf uns selbst herumhacken, die völlig bedeutungslos sind. Sie ist keine übergewichtige Person, sie ist süß und an ihr oder ihren Erfahrungen ist überhaupt nichts falsch. Es geht einfach um diese zuordenbare Art von universeller Erfahrung, Angst zu haben, dass man nicht mithalten kann. Und wie manifestiert sich das in jedem von uns? Es ist nicht spezifisch dafür, dass sie sich körperlich zerfleischt. Ich denke, das hat mehr damit zu tun, dass jeder von uns sein eigenes Ding hat, auf das wir uns gerne konzentrieren. Das ist meiner Meinung nach nicht toxisch.
Wie würdest du es stattdessen beschreiben?
Zellweger: Ihr Umgang damit ist lustig, weil sie sich zwar abwertet, aber sich wegen ihres Optimismus nie unterkriegen lässt. Sie lacht, findet einen Weg durch was auch immer und triumphiert am Ende. Auch wenn die Dinge nicht nach Plan laufen. Das ist inspirierend. Es gibt jedem die Erlaubnis, so zu sein, wie man ist, und das Gefühl zu haben: Ich muss es nicht richtig machen und ich kann immer noch glücklich sein und ich kann den Kerl bekommen und ich kann es immer noch gut machen, auch wenn es von außen chaotisch aussieht.
Mit Renée Zellweger, Chiwetel Ejiofor und Leo Woodall sprach im Rahmen eines Gruppeninterviews Linn Penkert.
"Bridget Jones - Verrückt nach ihm" läuft aktuell in den deutschen Kinos.